Zu wenig Präsenz

■ „Die Glut“ unter Regie von Hartmut Wickert im Thalia

Manche Situationen sind eine echte Herausforderung für einen Schauspieler. Vor einer solchen sahen sich am vergangenen Premierensamstag die beiden langjährigen Thalia-Schauspieler Hans Christian Rudolph und Michael Altmann. Die Bühne: eine endlose Weite. Der Saal: totenstill. Nein, ein Raunen und Räuspern ging durch die Reihen. Schließlich empörte Rufe: „Lauter! Schneller!“

Dabei wussten die meisten Zuschauer wohl, dass Die Glut eher ein sanftes Glimmen versprühen würde. Das muss auch Regisseur Hartmut Wickert gedämmert haben, als er sich an die dramatisierte Fassung von Sándor Márais Roman Die Glut für das Thalia Theater wagte. Denn die Handlung sieht im Wesentlichen so aus: Zwei gealterte Männer treffen sich im Schloss des einen und reden über Dinge, die weit zurückliegen.

Dazu hat Marina Hellmann eine lange Tafel und einen langen weißen Vorhang installiert, der Vergangenheit und Gegenwart zu trennen scheint. Einzige Aktionen sind die glimmenden Kerzen und ein plötzliches Gewitter. Die beiden Hauptdarsteller schleichen meist im Halbdunkel über die Bühne, schweigen oder rauchen leise vor sich hin, manchmal reden sie.

Hans Christian Rudolph ist als General Henrik ein gebrochener Mann. Nach Jahren des Militärdienstes ist er gealtert und vereinsamt nach dem Tod seiner geheimnisvollen Frau Krisztina und der plötzlichen Flucht seines Jugendfreundes Konrád in die Tropen. Bis der nach 41 Jahren plötzlich vor seiner Türe steht. Einen Arm auf dem Rücken, deklamiert Rudolph in soldatischer Manier die Vermutungen, die ihn schon so viele Jahre quälen. Vom Verrat, den der Freund begangen haben soll, bei der Jagd heimlich auf ihn zu zielen und ihn mit seiner Frau Krisztina zu hintergehen. Vom heimlichen Hass, der über Jahre in dem einst Zwillingsgleichen geschlummert haben soll, weil Henrik seit jeher reich war und Konrád arm.

Handlung und Darstellung müssen die dramaturgische Besonnenheit des Stoffes auffangen. Und da es ein psychologisch und sprachlich grandioses Stück Literatur und die zwei großartige Schauspieler sind, könnte das auch gelingen – wenn die Regie den beiden Darstellern mehr Präsenz und Übertreibung gestattet hätte. Und leider haben einige dieses Kammerspiel umsonst mitverfolgt, denn sie haben nichts verstehen können.

Annette Stiekele

 nächste Vorstellung: Sa., 10.11., 20 Uhr, Thalia