Ruinen aus Japan

■ Japan-Bremen, die zweite: Die Ruins gastierten in der Friesenstraße

Bremisch-japanischer Kulturaustausch, x-te Runde. Das vergangene „Ostasienjahr“ in Rechnung gestellt, arbeiten die Veranstalter der Sissi-Konzerte antizyklisch. Der offiziellen Kulturpolitik zum Trotz gelang es, im letzten Quartal des Milleiumeröffnungsjahres drei der wichtigsten, innovativsten und lustigsten Tokioter Noise/Elektro-Bands in die Hansestadt zu bitten. „Melt Banana“ in angenehmer Erinnerung und mit Vorfreude auf „monster dvd“ am Monatsende übernahmen am Samstagabend in der Friesenstraße die „Ruins“ den mittleren Part.

Man muss es nicht der Vorband „Ilse Lau“ – die derzeit zum Besten gehört, was Bremen zu bieten hat – in die Schuhe schieben, dass sie gegen die Kompaktheit, mit der Sasaki Hisashi am Bass und Yoshida Tatsuya schlagzeugend sich ans Werk begeben, chancenlos waren. Dagegen ist kein Kraut gewachsen. Der Ruins Musik ist übervoll, kaum einmal kehrt Ruhe ein, alles ist brüchig, in ständigem Richtungswechsel begriffen. Die beiden scheinen zu tänzeln über den komplexen Strukturen. Und es macht ihnen sichtlich Freude, jeden Anflug von Wiedererkennung alsbald wieder zu verwehen. Sasakis Bass fungiert in Echtzeit als Gitarre und Yoshida wär's wohl langweilig, hielte er einen Rhythmus über mehr als zwei Takte. Höchst vergnüglicher Krach – und offene Münder.

Die Ruins gehen gleichwohl mit der Präzision eines Uhrwerks vor. Aber mit der Kraft einer Dampframme. Sagte John Zorn, mit dessen „Naked City“ die Ruins einiges gemein haben. Die gewollte Löch-rigkeit im Sound, der fragmentierende Zugriff auf das musikalische Ausgangsmaterial und besagte Präzision. Nicht zuletzt das Live-Erlebnis zeigt den Unterschied : Hier swingt nix. Alles ist, wenn man so will, pure Rockmusik. In zwei Medleys, die das aktuelle Album der Ruins beschließen, greift das Tokioter Duo tief in die Rock- und Jazzrock-Kiste. Black Sabbath, King Crimson, Grand Funk Railroad. Man braucht kaum zu betonen, dass von den Vorbildern in der japanischen Steinmühle nicht viel Erkennbares übrig bleibt. Und es ist wohl eher ein Witz, wenn sie, die sonst wenig reden, ihre Zugabe als „Hommage“ an das Mahavishnu Orchestra“ ankündigen. Sonst reden sie nicht viel, nur immer wieder: „Thank you ...Thank you!“ Ich bitte Sie, werte Herren, wir haben zu danken!

Tim Schomacker