Nicht wieder schanghaien lassen

■ Bremen als PDS-Brückenkopf im Westen ist gescheitert. Doch nach dem Erfolg in Berlin glauben die Genossen mehr denn je an ihre Aufbauarbeit

Vor zwei Wochen knallten die Sektkorken bei der Bremer PDS. Die Berliner Genossen hatten den Westen geknackt, fast sieben Prozent im ehemaligen Westteil der Stadt. Berlin hat es gezeigt, da sind sich die Bremer einig: Die PDS ist keine Ost-Partei. Nebenbei haben die Genossen aus der Hauptstadt eine Last von ihnen genommen. In den 90er Jahren hatte die Partei nämlich das kleine Bremen zum Brückenkopf auserkoren, von dem der Westen erobert werden sollte. Die Stadt mit der linken Tradition versprach mit dem Einsatz kleins-ter Mittel am ehesten den Sprung in einen Landtag.

Doch alles kam ganz anders: Mit dem Mauerfall verloren sozialistische Ideale auch im linken Bremen an Strahlkraft. Die massenhaft auf die Straße gesetzten Proletarier wandten sich nicht etwa ihrer Klassenpartei zu, sondern drifteten nach rechts, zu AFB und DVU. Die Linksintellektuellen waren fest bei den Grünen verwurzelt und machten sich gerade per Regierungsbeteiligung auf in die Mitte der Gesellschaft. Und in den ersten Jahren war die Bremer PDS ein heterogener Haufen, der sich erst zurechtschütteln musste. Wohl keine K-Gruppe, keine Partei links von der CDU, die nicht den einen oder anderen Kopf beigesteuert hätte. Die große Masse der 1.200 DKP-Mitglieder hingegen zog es nicht in die neue Sozialistische Partei.

Ungefähr zehn Ex-DKPler sollen heute noch unter den knapp 200 Parteimitgliedern sein. „In der SPD gibt es mehr Leute aus der DKP“, ist sich Parteichef Klaus Rainer Rupp sicher. Steuerungstechnik ist sein Metier, allerdings im Zivilberuf. In der Partei ist das Steuern indes nicht immer einfach: Der bunte Haufen ist manchmal unberechenbar. Und aufgrund seiner geringen Größe für Übernahmeversuche anfällig. In den ersten Jahren musste man sich mit einer hartnäckigen handvoll Übriggebliebener aus der Marxistischen Gruppe (MG) rumschlagen. Aber der jungen Partei gelang, woran Generationen von StudentInnen scheiterten: Sie diskutierten die MGler müde.

Schwieriger wurde es Ende der 90er Jahre: Antirassistische Gruppen aus dem Uni-Umfeld versuchten, durch kollektiven Eintritt die Mehrheitsverhältnisse in Richtung linksradikal zu kippen. „Die haben versucht, die Partei zu schanghaien“, erinnert sich ausgerechnet Herbert Thomsen, den die Linksradikalen auf den Schild des Parteivorsitzenden gehoben hatten.

Mittlerweile haben die meisten aus dem Antifa-Lager die Partei wieder verlassen, insgesamt etwa zwei Dutzend. Sie wollten nicht akzeptieren, dass der Pragmatiker Rupp wieder Vorsitzender wurde. Der bedauert heute die Austritte, gibt aber zu, dass die Parteiarbeit dadurch einfacher geworden ist. Schließlich drohte vorher wie ein Menetekel die Entwicklung des zerstrittenen Hamburger Landesverbands, der ständig kurz vor der Auflösung durch die Bundespartei steht. Die kam in Bremen mit einem geschickten Schachzug zu Hilfe: Die Berliner verordneten im vergangenen Jahr einfach die räumliche Trennung von Landesverband und dem Büro der Bundestagsfraktion, einer Art West-Entwicklungshilfe-Institution.

Seither verfügt der finanzschwache Landesverband in seinem Kellerbüro über bescheidene Mittel, für die sich das „Schanghaien“ kaum lohnen würde, während die Bundestagsfraktion in einem freundlichen Raum in der Wulwesstraße repräsentieren kann. Marina Stahmann, die es für die kleine Bremer Partei immerhin in den Bundesvorstand geschafft hat, bestreitet taktische Absichten: „Wir muss-ten das nach der Kohl-Affäre sowieso machen, wegen der Transparenz der Parteifinanzen.“ Aber dass die Trennung geschadet hätte, wird in der Partei niemand behaupten.

Die Ausgetretenen haben sich in die parteinahe Rosa-Luxemburg-Initiative zurückgezogen, wo sie die Mehrheit stellen. Mit der Folge , dass Partei und Initiative „faktisch nicht zusammenarbeiten“, wie Rupp bedauernd feststellt. Dabei könnte man im kommenden Bürgerschaftswahlkampf alle Kräfte gut gebrauchen. Immerhin scheint die Unterstützung aus Berlin gesichert: Auch wenn das „Brückenkopf“-Konzept inzwischen nicht mehr verfolgt wird, erhält Bremen immer noch überdurchschnittliche Unterstützung von der Bundespartei – auch wegen guter Ostkontakte des Vorstands. Eine Ost-Steuerung will Rupp daraus aber keineswegs ableiten. „Das war unser Irrtum in den ersten Wahlkämpfen“, sagt der ziemlich große Vorsitzende, „da dachten wir, wir könnten die Programmatik importieren.“ Inzwischen haben die Sozialisten gemerkt, dass nur kommunalpolitische Kompetenz bis in die Bürgerschaft führen kann. Die eignen sich acht PDS-Vertreter nun in sieben Beiräten an, daraus soll auch die landespolitische Profilierung wachsen. Klar ist schon mal, dass die PDS sich gegen den „neoliberalen Kurs“ der großen Koalition stellen will, klarer als die Grünen. Und Kürzungen im Jugendbereich sollen tabu sein.

Die PDSler wissen warum: Keine Partei hat jüngere WählerInnen, und während die Jusos angeblich keinen einzigen Schüler mehr in ihren Reihen haben, liegt das Durchschnittsalter im PDS-nahen Jugendverband solid bei 17 Jahren. Zahlen, die die Genossen lächelnd in die Zukunft blicken lassen.

Jan Kahlcke