Das große Spiel der Teppichdiplomatie

An der FU simulierten Studenten und Diplomaten eine „Weltkonferenz gegen den Internationalen Terrorismus“. Der Weltfrieden wurde nicht gefunden. Aber die Erfahrung, wie schwer es ist, eine gemeinsame Position auszuhandeln

„Wer gibt Ihnen das Recht, mein Land zu vertreten?“, fährt der Mann der Saudischen Presseagentur den Delegierten Saudi-Arabiens an. Dominik Rebmann, Jurastudent im 2. Semester an der Freien Universität (FU), macht große Augen. Auf diese Frage war er nicht vorbereitet. „Sprechen Sie arabisch? Waren Sie überhaupt schon einmal in Saudi-Arabien?“, setzt der Saudi nach. „Darum geht es doch gar nicht. Das ist doch reine Simulation“, erwidert der Delegierte.

Was in der realen Welt der Diplomatie wohl noch ein Weilchen dauern wird, hat die FU zusammen mit dem Auswärtigen Amt am Samstag schon einmal simuliert: die „Weltkonferenz gegen den Internationalen Terrorismus“. Am Beispiel einer internationalen Konferenz sollen die Studenten erfahren, wie Diplomatie funktioniert. „Weitere Anträge zur Geschäftsordnung?“ fragt Peggy Wittke von der Arbeitsstelle Internationale Wettbewerbe der FU. Sie leitet das Projekt. 26 Studenten und 19 echte, überwiegend osteuropäische Jungdiplomaten ringen um die Tagesordnung. Sie tragen förmliche Kleidung und wichtige Mienen und haben sich intensiv vorbereitet, um möglichst echt zu wirken. Wer mitmachen wollte, musste Lebenslauf, Motivationsschreiben und drei Wunschländer auflisten.

Vor jedem Delegierten baumelt eins von 49 Fähnchen. Hinter dem Blauen sitzt der UN-Generalsekretär. Er trägt die Haare gebunden zum Zopf und sieht auffallend blass aus. Politikstudent Tobias Kahler ist enttäuscht darüber, dass er außer der kurzen Eröffnungsrede nicht viel zu sagen hat. Marcus Scharf, sonst Jurastudent und heute iranischer Gesandter, stellt im 10-Minuten-Takt Pausenanträge. Mal für eine Viertelstunde, mal für eine halbe. Meist werden sie unter undiplomatischem Stöhnen abgelehnt. Der Iran will die Konferenz möglichst kleinteilig gestalten. Zu zäh für Demchig Tegshjargal, der den weitesten Weg hatte und wohl unter Jetlag leidet. Der mongolische Nachwuchsdiplomat schläft. Der Vertreter Syriens möchte nicht weiterreden, bevor der indische Resolutionsentwurf schriftlich vorliegt – und beantragt eine 5-minütige Pause. Stattgegeben.

„Das spannendste passiert auf den Gängen in informellen Gesprächen“, sagt der UN-Generalsekretär Kahler. Teppichdiplomatie. „Da wird mit Formulierungen echter Kuhhandel betrieben.“ An der Fensterbank versammelt sich die islamische Welt. „Die Philippinen stimmen mit uns, wenn wir den Punkt 2 streichen“, wispert der Sudan. „Dann gehe ich nicht mit“, droht der Irak und beißt ins Gummibärchen. Der Iran verlangt, den „israelischen Staatsterror“ zu geißeln, und der Sudan schlendert zwecks Nachverhandlung zurück zu den Philippinen.

„To be in character“, nennt das die Vorsitzende Peggy Wittke. Wenn ein Land die Position ändert, die es unter realistischen Bedingungen nie aufgegeben hätte, macht das Planspiel keinen Sinn. Aber alle spielen mit. „Das ist ziemlich professionell“, sagt Ferry Bühring. Der angehende Jurist vertritt die USA und ist ein alter Planspiel-Hase. Auf der National Model UN-Conference in New York, der weltweit größten UN-Simulation, hat er bereits Argentinien vertreten. „Man muss selbst erlebt haben, wie schwer es ist, gemeinsame Positionen zu finden“, sagt er hektisch. Die Zeit drängt, er muss noch mit Russland reden.

Dann hat sich eine breite Mehrheit doch noch auf zwei Resolutionen einigen können. Eine zur Definition und eine, die das Recht auf kollektive Selbstverteidigung einräumt, internationalen Terrorismus als Gefahr für den weltweiten Frieden brandmarkt und stärkere Entwicklungshilfe fordert. Das ist viel, finden die meisten Teilnehmer, auch wenn es nicht den Weltfrieden bringt. JAN ROSENKRANZ