Urlaub in der Wüste

Neue Nachrichten aus der äußersten Mongolei, wo es mehr Pferde als Menschen gibt

Pinkelpausen gelten für alle: Die Männer müssen sich links hinhocken, die Frauen rechts

Wenn man in der mongolischen Steppe spazieren geht, dringen einem laufend deutsche O-Töne ans Ohr: „Ei, Nicole, stell dich doch mal vor die zwei Jurten!“, oder: „Beißt der Hund etwa?!“

Die BRD stellt neben Japan alljährlich das größte Touristenkontingent in der Mongolei: In diesem Jahr waren es etwa 4.000. Das scheint nicht viel zu sein, in einem Land, das fünfmal größer als Deutschland ist. Aber dazu kommen noch etwa 40.000 Mongolen (von insgesamt 2,5 Millionen), die Deutsch sprechen. In Ulan-Bator passierte es neulich zwei Touristinnen aus Stuttgart, dass ihre Taxifahrerin sie auf Deutsch begrüßte – sie hatte in Leipzig studiert. Die beiden Frauen engagierten sie sogleich als Reiseleiterin.

Permanent leben und arbeiten etwa 100 Deutsche in der Hauptstadt – als Lehrer, Diplomaten, Geschäftsleute oder Mitarbeiter einer Hilfsorganisation. Treffpunkt der Deutschen sind die Restaurants „Kaiser“ und „Berlin“. Dort sprechen auch die Kellner deutsch. Die meisten Touristen wollen schnell aufs Land: Die weite Steppe, wo es mehr Pferde als Menschen gibt, entspricht ihren Vorstellungen von der Mongolei mehr als die Millionenstadt. Außerdem kann man – zum Beispiel in der Wüste Gobi – den Himmel besser sehen. Die ersten Nächte stehen die Touristen meist draußen und starren die Sterne an. Schwierigkeiten bereitet anfangs das Essen und Trinken: Gut, man kann sich an den Tee – mit Salz und Fett – gewöhnen, aber dass das Frühstücksfleisch morgens im übrig gebliebenen Tee gekocht wird . . .

Das Touristencamp Yoliin-Am – halb auf dem Weg in die Gobi, bietet jedoch auch europäische Frühstücke an. Hier befindet sich ein großes Vogelreservat, und etliche Antilopen stehen zum Filmen bereit. Einzeltouristen fliegen dorthin, Gruppenreisende mieten einen Jeep – mit Zeltausrüstung, Fahrer, Koch und Reiseleiter. So fühlen sie sich ganz unabhängig! Und können trotzdem von einem Jurtenfest („Naadam“) zum nächsten gurken. Man braucht dazu keine Einladungen und kann alles knipsen. Vorsicht beim Genuss der Stutenmilch („Airag“), sie kann auf den Magen schlagen; und im vergorenen Zustand („Shimiin arhi“) auf den Kopf.

Die japanischen Touristen betrinken sich nicht gern im Ausland, in der Mongolei mieten sie am liebsten eine einsame Jurte auf dem Land, genießen die Ruhe und schlafen sich aus. Viele sind ernst gestimmt: Als erstes besuchen sie die japanischen Kriegsdenkmäler in Ulan-Bator und im Osten der Mongolei. Nach der Kapitulation Japans mussten viele japanische Kriegsgefangene auf Baustellen in Ulan-Bator zwangsarbeiten. Man schätzt dort die von ihnen errichteten öffentlichen Gebäude noch heute. Bei den japanischen Touristen sind umgekehrt die buddhistisch-schamanistischen „Heiligen Orte“ („Ovoo“) sehr beliebt, auf die man unterwegs mit dem Auto alle hundert Kilometer stößt. Jeder Vorbeikommende geht dreimal um die Stele herum und legt drei Steine auf einen Haufen. Das bringt Glück für die Weiterfahrt. Eine deutsche Reisegruppe, die das nicht wusste und sogar direkt neben den Steinhaufen pinkelte, hatte anschließend fünfmal hintereinander eine Reifenpanne! Zu den guten Sitten gehört ferner der religiöse Brauch, bei einem Glas Wodka den ersten Schluck an die Landschaft abzugeben.

An Abenteuer grenzt die allgemeine Wegelosigkeit: Man fährt meistens einfach querfeldein, und in Feuchtgebieten müssen alle aussteigen und schieben. Auch die Pinkelpausen gelten für alle: Die Männer müssen sich links vom Auto hinhocken und die Frauen rechts. Der Fahrer in der Mitte passt auf, dass nichts durcheinander kommt. Viele deutsche Touristen finden auch das abenteuerlich. Wer mehr möchte, kann auch eine Kamelkarawanentour oder eine Angeltour buchen. Im Westen der Mongolei gibt es viele fischreiche Seen und Flüsse. Und die in der Nähe lebenden Nomaden sind auf Besucher eingestellt. Dafür sollte man anschließend als ausländischer Tourist den Kindern Rede und Antwort stehen sowie auch kleine Geschenke an sie verteilen. Am Weißsee Terch gibt es ein Touristencamp namens Khorgo, in der Nähe eines erloschenen Vulkans. Und am Ende der Reise wird ein Schaf geschlachtet – für den beliebten Eintopf Horhog. Dabei wird kleingehacktes Fleisch mit Zwiebeln, Knoblauch, Paprika, Kartoffeln und Steinen gekocht.

DONDOG BATJARGAL /

GHOSTDOG HÖGE