Oben wird es eng

Serena Williams gewinnt Masters, verletzte Finalistin Lindsay Davenport beendet Tennisjahr als Nummer eins

BERLIN taz ■ Enthusiastisch war die Reaktion von Lindsay Davenport nicht gerade, als sie mit ihrem Halbfinalsieg gegen die Belgierin Kim Clijsters beim Masters-Turnier in München die Spitze der Tennis-Weltrangliste erklommen hatte. „Ich hätte lieber zwei Grand Slams“, sagte die 25-jährige Kalifornierin, „Nummer eins war ich schon ein paar Mal“. Zudem glaubt sie, dass sie es nicht recht verdient hat, ganz oben zu stehen. Eine Meinung, die nicht nur ihrer gewohnten Bescheidenheit geschuldet ist, sondern für die es gute Gründe gibt. Noch nie gab es am Jahresende eine Nummer eins, die kein einziges Grand-Slam-Finale erreichte. „Ich kann ja nichts dafür, dass Venus nur neun oder zehn Turniere spielt und Jennifer nicht mehr gewonnen hat“, rechtfertigte sie sich ein wenig lahm, „ich denke es ist klar, dass sonst sie die Nummer eins wären.“ Aber sie habe eigentlich nicht vor, sich zu verteidigen. „Ich nehme es einfach mit.“

In München, wo Venus Williams, die Wimbledon- und US Open-Siegerin, wegen Verletzung fehlte, Jennifer Capriati, Gewinnerin der Australian und French Open, im Viertelfinale an der Französin Sandrine Testud scheiterte, gelang es Davenport auch nicht, wenigstens einen großen Titel im Jahr 2001 zu holen. Zum gestrigen Finale gegen die Testud-Bezwingerin Serena Williams konnte sie wegen einer Knieverletzung nicht antreten.

Während die jüngere der Williams-Schwestern in der zweiten Jahreshälfte wenig gespielt hatte und auf Rang zehn abgesackt war, hatte Davenport ihr Tief zu Beginn der Saison gehabt. Damals verpasste sie fast drei Monate wegen einer Verletzung. Zuletzt gewann sie jedoch drei Turniere in Folge und konnte auf diese Weise in den Kampf um die Spitze eingreifen, der nach 73-wöchiger Alleinherrschaft der momentan verletzten Schweizerin Martina Hingis offen ist wie selten zuvor. Auch wenn Venus Williams und Capriati die Grand Slams unter sich aufteilten, gibt es im Augenblick keine absolut dominante Spielerin, was das Gerangel um die oberen Ränge äußerst attraktiv macht.

Und es werden eher mehr Kandidatinnen, die an die Spitze streben. Die Belgierinnen Kim Clijsters (18) und Justine Henin (19) bewiesen auch in München, dass mit ihnen zu rechnen ist, Serena Williams (20) ist wieder auf dem Weg nach oben, und auch die Jugoslawin Jelena Dokic rückt dem Quartett Davenport, Hingis, Capriati und Venus Williams immer heftiger zu Leibe. Zuletzt hatte die 18-Jährige lediglich das Pech, dreimal auf eine exzellente Davenport zu treffen: in den Finals von Zürich und Linz sowie im Münchner Viertelfinale. „Wenn ich hart weiterarbeite, wird der Tag kommen, an dem ich sie schlage“, sagt Dokic. Was die erfahreneren Ladys noch vom Nachwuchs unterscheidet, weiß Kim Clijsters: „Wir alle haben sie schon geschlagen, aber hier sind sie so konzentriert. Bei kleineren Turnieren ist es leichter.“ MATTI LIESKE