Kampf dem Blechschaden
: Trottoir-Tröte

■ Sicherheit geht auf die Nerven

Was zuerst war, das Huhn oder das Ei, das wissen wir auch nicht. Ziemlich sicher aber wissen wir, dass die Straße vor dem Auto kam. Zumindest gilt das für die engen, präautomobilen Bremer Altbau-Viertel. Endlich findet man fünf Straßen weiter eine winzige Parklücke, rammt beim Rückwärts-Einparken die Stoßstange des Benz, der – so richtig asozial – doppelt so viel Platz beansprucht wie der eigene Wagen. Und dann rächt sich der Gegner – am nächsten Morgen beim Vorwärts-Ausparken. Delle im Kotflügel. „Kot“, möchte man am liebsten schreien.

„Schluss damit“, dachte sich ein Autofahrer aus der Neustadt. Eine Alarmanlage muss her. Und zwar eine richtig gute. Sicherheit ist zurzeit ja sowieso voll im Trend. „Dieser Wagen ist alarmgesichert“, schreit das Gerät nun jeden an, der dem bulligen Geländewagen zu nahe kommt. Blöd nur, dass dies auch der Katze mitgeteilt wird, die des Nachts über die Motorhaube schleicht, und dem Passanten, der mit seinem Mantel versehentlich den Rückspiegel streift.

Immer wieder reißt die quäkende Lautsprecher-Stimme die Nachbarn aus dem Schlaf. „Was denn nun? Polizei? Erster Mai? Ach ja, die Alarmanlage.“ Wieder ins Kopfkissen kuscheln. Doch nur fünf Minuten später nähert sich schon wieder ein unvorsichtiger Fußgänger dem sprechenden Auto. „Wenn die hier alle so blöd fahren und uns dauernd ankarren, nerven wir die eben mit der Alarmanlage“, sagt die junge Besitzerin des Wagens, die erst seit ein paar Wochen in Bremen wohnt. Dass ein breiter Jeep in der engen Großstadt ungefähr so sinnvoll ist wie ein Fahrrad ohne Sattel in der Wüste Gobi, findet sie anscheinend nicht. Noch ist der sprechende Geländewagen in Brandenburg zugelassen. Da hat er sicher weniger Probleme gemacht. Im Osten ist ja nichts los. Außerdem diskutiert die Politik dort allen Ernstes die Frage, was das kleinere Übel ist: Alleen aus Sicherheitsgründen abzuholzen oder Tempo 70 auf den Landstraßen einzuführen. So weit wird es in Bremen wohl nicht kommen. „Häuser abreißen, Parkplätze schaffen“, hat sich hierzulande noch niemand auf die Fahnen geschrieben. Da kann die neue Neustädterin lange warten und wird auch weiterhin Tag und Nacht zu ihrem Wagen eilen. Besonders jetzt im Herbst, wenn die Trottoir-Tröte alle zwei Minuten meldet: „Achtung, Blatt auf Autodach!“

Ebbe Volquardsen