Windhundrennen auf hoher See

■ Ein Bremer Unternehmen will drei Windparks in der Nordsee bauen. Die Konkurrenz testet vor Wilhelmshaven eine neue Riesenmühle

Fünfzehn Kilometer vor der Wesermündung könnten schon bald sechs Dutzend Windmühlen die steife Nordseebrise in Strom verwandeln. Am „Nordergründe“ genannten Standort will die Bremer Energiekontor AG den vielleicht ersten Offshore-Windpark Deutschlands bauen. Bereits in wenigen Monaten hoffen die Projektentwickler, das Raumordnungsverfahren für das Rotorfeld einleiten zu können. Bis dahin müssen sie detaillierte Pläne und eine Umweltverträglichkeitsstudie fertig gestellt haben. Martin Bretag, Investment-Leiter bei Energiekontor, rechnet damit, dass schon 2004 die Baumaschinen anrücken. Mit einer Leistung von zusammen 200 Megawatt könnten die Rotoren 280.000 Einwohner mit Strom versorgen. 363 Millionen Euro an Investitionsmitteln will Bretag dafür „aus unterschiedlichen Quellen“ zusammenbekommen. Er hofft unter anderem auf institutionelle Investoren und Risikokapital.

Die Bremer Unternehmer sind allerdings nicht die Einzigen, die den kräftigen Meereswind zur Stromerzeugung nutzen wollen. Kein Wunder: Die Windausbeute ist dort etwa doppelt so hoch wie an Land – bei um nur 50 Prozent höheren Anlagenkosten. Seit die Bundesregierung die Stromversorger qua Energie-Einspeisegesetz verpflichtet hat, auch Strom aus Off-shore-Windkraftanlagen zu einem Mindestpreis abzunehmen, hat sich ein regelrechter Wettlauf um die windigsten Standorte im Meer entwickelt. Weil es an präzisen planungsrechtlichen Regelungen für die Genehmigung von Windparks im Meer bisher fehlt, gilt das Platzhirsch-Prinzip: Wer zuerst für einen Standort einigermaßen vollständige Pläne einreicht, bekommt dort ein Vorrecht eingeräumt. Gut 20 Anträge für Parks von zum Teil gigantischen Ausmaßen außerhalb der Hoheitsgewässer in Nord- und Ostsee liegen dem Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) in Hamburg derzeit vor, dazu kommen noch ein Dutzend Anträge für Anlagen innerhalb der Zwölf-Seemeilen-Zone. Cornelia Viertel, beim Bundesumweltminis-terium mit erneuerbaren Energien befasst, relativiert allerdings: „Ernsthafte Projekte gibt es vielleicht sechs.“

Die Naturschützer sind über das „Windhundrennen“ (O-Ton Viertel) auf hoher See nicht uneingeschränkt glücklich. Zwar befürworten alle großen Verbände die Windkraftnutzung im Meer, allerdings nicht überall: „Aus unserer Sicht sind keine geeigneten Standorte in der Zwölf-Seemeilen-Zone vorhanden“, skizziert Beatrice Claus, beim WWF für Offshore-Windkraft zuständig, die Grenzen der Zustimmung. Das gelte auch für den von Energiekontor geplanten Windpark vor der Wesermündung: „Der ist viel zu dicht an den Naturpark herangebaut.“ Zudem stelle die Anlage ein Risiko für die Schifffahrt dar: „Wie soll ein manövrierunfähiges Schiff davon abgehalten werden, in den Windpark zu driften?“ Beim WWF fordert man eine Offshore-Raumplanung – für die fehlt aber bislang das rechtliche Instumentarium. Frank Wischer, Sachbearbeiter beim BSH, gibt zu: „Wir schwimmen da selbst noch ein bisschen.“ Die Behörde hat sich daher entschlossen, vorerst nur kleinere Teil-Projekte zu genehmigen und eine wissenschaftliche Begleitung vorzuschreiben, um die Auswirkungen der Windmühlen auf die Meeresökologie zu untersuchen.

Die beiden anderen von Energiekontor geplanten Windparks bei Borkum und bei Sylt, die von der Leistung her eigentlich einem großen AKW gleichkommen sollten, werden also zunächst wesentlich kleiner ausfallen. Bretag nimmt's gelassen. Schließlich muss auch Energiekontor erst noch ein paar Erfahrungen sammeln – offshore.

Kräftig geschrumpft ist auch der „Windpark“, der 500 Meter vor Wilhelmshaven entstehen soll. Statt 16 Rotoren, wie 1995 ursprünglich geplant, will die Winkra-Energie GmbH aus Hannover dort inzwischen nur noch einen einzigen Prototyp ins Wasser setzen – „um allen Empfindlichkeiten Rechnung zu tragen“, wie Geschäftsführer Uwe-Thomas Cars-tensen sagt. Der von Marktführer Enercon in Aurich entwickelte Propeller soll dafür mit einem Durchmesser von 112 Meter und 4,5 Megawatt Leistung doppelt so groß werden wie die heutigen Windräder. Carstensen, der selbst Riesen-Windparks vor Helgoland und Rügen projektiert, ist überzeugt: „Mit kleinen Anlagen ist bei 20 bis 40 Meter Wassertiefe Wirtschaftlichkeit nicht erreichbar.“ Die Anlage bei Wilhelmshaven ist für ihn daher vor allem Testobjekt: „Wir werden uns mit einer sehr schmalen Rendite begnügen.“ Armin Simon