Yankees werden verhext

Die Arizona Diamondbacks gewinnen mit einem sensationellen Schlussspurt im entscheidenden Match die World Series des Baseball und beenden die Alleinherrschaft der New York Yankees

von MATTI LIESKE

Es fehlte nur sehr wenig und Bob Brenly wäre als einer der unseligsten Baseball-Manager aller Zeiten in die Geschichte der World Series eingegangen. Doch eine bizarre Wendung der Dinge, die dem bisherigen Drehbuch des Finales in der Major League Baseball, das ganz auf die New York Yankees zugeschnitten schien, drastisch widersprach, ließ den Mann von den Arizona Diamondbacks am Ende fast als Genie dastehen. Mit 3:2 gewann die Mannschaft aus Phoenix vor 49.589 ebenso glücklichen wie erstaunten Fans im eigenen Bank One Ballpark das entscheidende siebte Match der Serie und damit im erst vierten Jahr ihres Bestehens den Titel. „Ein Ausgang wie aus dem Märchenbuch“, freute sich Luis Gonzalez, der den entscheidenden Punkt herausschlug. Für die Yankees, zuletzt dreimal in Folge Champion, allerdings ein Märchen, in dem am Ende die böse Hexe gewann.

Es war eine denkwürdige World Series, geprägt von ungeheurer Dramatik und herausragenden Werfern. Dominiert wurden fast alle Partien von den Diamondbacks, welche die Yankees mit dem Gesamtresultat von 37:14 in Grund und Boden spielten und doch die Serie um ein Haar verloren hätten. Als Mariano Rivera, der gefürchtete Closer der Yankees, der 23 Play-off-Matches in Folge siegreich zu Ende geworfen hatte, im achten und vorletzten Inning beim Stande von 2:1 für New York einen Batter der D’Backs nach dem anderen zurück in den Dugout pitchte, machte sich Hoffnungslosigkeit im Stadion breit. Niemand hätte es für möglich gehalten, dass der schier unschlagbare Erfolgsgarant der Yankees im neunten Inning vier Hits und die beiden Runs zu Arizonas 3:2 zulassen könnte, auch wenn Bob Brenly später anderes behauptete: „Man konnte spüren, dass noch etwas Gutes passieren würde.“

Wäre die Sache schief gegangen, den Schuldigen hätte man schnell gefunden in Phoenix: Bob Brenly, der vor Jahresfrist noch Fernsehkommentator gewesen war und seine erste Saison als Chef eines Baseballteams absolvierte. Als der 41-Jährige im Frühling vor seine Spieler trat, warf er als Erstes ein telefonbuchdickes Instruktionsbuch demonstrativ weg und zeigte den Profis dafür sein auf eine Serviette gekritzeltes Programm: „Seid pünktlich! Strengt euch an!“

Ähnlich bizarr ging er auch gegen New York vor, vor allem in Spiel drei bis fünf im Yankee-Stadium in der Bronx, wo er förmlich um Niederlagen bettelte und sie auch bekam. Ein ganzer Sack voll Chancen wurde mit schwacher Offensivstrategie versiebt, in Spiel vier nahm Brenly den überragenden Pitcher Curt Schilling zu früh aus dem Spiel und ließ Closer Byung-Hyun Kim zu lange drin. Gegen den Koreaner riss New York das Match in letzter Sekunde herum. Ausgerechnet Kim sollte einen Tag nach dem Desaster erneut eine Führung im neunten Inning verteidigen, und der völlig verunsicherte 21-Jährige kassierte wieder eine Last-Minute-Niederlage.

Im gewonnenen Spiel 6 musste der an eine wurfstarke Variante von Willie Nelson gemahnende Randy „Big Unit“ Johnson dann trotz einer 12:0-Führung im zweiten Inning 104 Pitches werfen, obwohl er als Closer für das siebte Spiel vorgesehen war, in dem wiederum Schilling zu lange auf dem Feld blieb. Arizona geriet 1:2 in Rückstand, und der schwache Batter Schilling musste zudem noch einmal gegen den müden Yankees-Pitcher Roger Clemens schlagen – leichtes Spiel in kritischer Phase. Doch am Ende wurde alles gut: Johnson warf makellos, Gonzalez traf, und Brenly war der Held. „Das haben wir Bob zu verdanken“, lobte Baseman Craig Counsell seinen Boss, „er hat uns zu einem 25-Mann-Team geformt.“

Zugegeben, keine ganz leichte Aufgabe. Als Teambesitzer Jerry Colangelo seine Diamondbacks vor drei Jahren mit lauter hoch bezahlten Veteranen bestückte und dafür 118 Millionen Dollar investierte, bekam der Klub höhnische Titel wie Greenbacks oder Diamondbucks angehängt. Dann überredete Colangelo seine Stars, auf insgesamt 17 Millionen Dollar Gehalt zu verzichten, und holte dafür mit Reggie Sanders und Mark Grace zwei weitere Oldtimer, sodass das Durchschnittsalter der Startformation gegen die Yankees stolze 33 Jahre betrug. Bob Brenly schaffte es, die Altstars zu Teamwork zu animieren, was vielen von ihnen nun die erste Meisterschaft brachte, allen voran Curt Schilling (34) und Randy Johnson (38), beide zu den besten Spielern der World Series gewählt.

Das Märchen von Phoenix soll sogar weitergehen. Jerry Colangelo glaubt, dass ein Team von solch einem Triumph „drei bis vier Jahre zehren kann“. Und Manager Bob Brenly kommentierte das süße Gefühl des Sieges mit den Worten: „Daran könnte ich mich gewöhnen.“