JUGOSLAWIENS PRÄSIDENT STIMMT DEN WAHLEN IM KOSOVO ZU
: Die „Wiege der Serben“ wird albanisch

Über seinen eigenen Schatten musste Jugoslawiens Präsident Vojislav Koštunica springen, um die Serben aufzurufen, sich an den Wahlen im Kosovo zu beteiligen. Denn einerseits sollen die von der UN-Zivilverwaltung organisierten Wahlen Ordnung im politischen und rechtlichen Chaos in der Provinz schaffen und die Macht weitgehend auf lokale Behörden übertragen – dabei ist Koštunica Zentralist. Andererseits werden diese Wahlen die mehrheitlich von Albanern besetzten Institutionen legalisieren – doch Koštunica ist Nationalist.

Die im Kosovo verbliebenen Serben werden endgültig zur nationalen Minderheit, die ausgerechnet in der historischen „Wiege des Serbentums“ recht wenig zu sagen haben werden. Immerhin drückte sich der tief religiöse Koštunica nicht vor der Verantwortung und beendet den kriegerischen Kosovo-Mythos mit politischen Mitteln. Die Staatengemeinschaft kann zufrieden sein, denn man spricht gern über eine „multiethnische Gesellschaft“ im Kosovo. Ein allgemeiner Wahlboykott der Kosovo-Serben wäre nach der gewaltigen militärischen und zivilen Intervention in der Provinz ein unerwünschter Schönheitsfehler gewesen.

Zwar definiert die UN-Resolution 1244 das Kosovo formal als einen Bestandteil Jugoslawiens, doch Belgrad hat die Kontrolle über die Provinz längst verloren. Und das Ziel ausnahmslos aller kosovo-albanischen Parteien nach der zehnjährigen serbischen Repression ist ein unabhängiges Kosovo. Sowohl die EU als auch die USA wissen, dass deren Unabhängigkeitsbestrebungen nicht aufgehalten werden können. Nur wagt es niemand, das auch laut auszusprechen.

Koštunica dagegen wird darauf beharren, dass das Kosovo Teil Jugoslawiens ist. Wenn allerdings nach dem Referendum im kommenden Jahr die Teilrepublik Montenegro aus der Bundesrepublik Jugoslawien ausscheiden sollte, die nur noch aus Serbien und Montenegro besteht, erlischt die Bundesrepublik. Dann muss der Status des Kosovo ganz neu verhandelt werden – auch mit den inzwischen gewählten Parlamentariern vor Ort.

ANDREJ IVANJI