„Rot-Rot-Grün wurde nie sondiert“

Harald Wolf, Fraktionschef der PDS, wirft dem Führungspersonal der Grünen vor, sich nicht ernsthaft um ein Regierungsbündnis von SPD, PDS und Grünen bemüht zu haben. Noch sei allerdings die letzte Chance nicht vertan

taz: Die PDS hat mitgeholfen, Diepgen zu stürzen und Klaus Wowereit zum Regierenden Bürgermeister zu wählen. Sind Sie enttäuscht, weil Sie jetzt nicht mitregieren dürfen?

Harald Wolf: Mit der Entscheidung, eine Ampelkoaltion verhandeln zu wollen, hat die SPD einen großen strategischen Fehler begangen. Es war gelungen, in der Stadt im Ansatz eine Aufbruchstimmung zu erzeugen: Mit der Ablösung der großen Koalition und mit der Perspektive einer Reformkoalition – also Rot-Rot oder Rot-Rot-Grün. Mit der Ampel macht die SPD jetzt diese Aufbruchstimmung kaputt.

Die Grünen entscheiden erst heute Abend, ob sie formelle Verhandlungen über eine Ampel aufnehmen.

Die Grünen spielen gar keine eigenständige Rolle mehr. Sie haben 1995 und 1999 gesagt, welche Koalition zu Stande kommt, hängt von der SPD ab. Offensichtlich ist es auch 2001 wieder so.

Aber gab es nicht auch eine Sondierung in Richtung Rot-Rot-Grün?

Nein, Rot-Rot-Grün ist nicht sondiert worden, obwohl die Grünen einen entsprechenden Auftrag von ihrer Landesdelegiertenkonferenz erhalten hatten. Es hat niemals ein echtes Gespräch über diese Option gegeben.

Augenscheinlich bevorzugen SPD und Grüne doch eine Ampel.

Hier läuft ein absurdes Spiel. Man hat das Gefühl, man befindet sich beim Schieberramsch. Die SPD hat vom Kanzler das Signal bekommen: An euch dürfen die Verhandlungen nicht scheitern. Die Grünen hegen auch die Illusion, an ihnen dürfe eine Ampel nicht scheitern. Nur die FDP will die Ampel wirklich: Sie ergeht sich in Freundlichkeiten – bis zum Ende der Koalitionsverhandlungen, danach wird es anders aussehen.

Was könnte denn ein rot-rot-grünes Bündnis leisten, was eine Ampel nicht kann?

Rot-Rot-Grün hätte den Vorteil, dass es eine klare Richtung gäbe: Haushaltskonsolidierung verbunden mit Reformpolitik. Um nur ein Beispiel zu nennen: Die Verkehrspolitik würde natürlich in eine ganz andere Richtung gehen, als sie momentan zwischen den Ampelpartnern verhandelt wird. Rot-Rot-Grün würde die Priorität ganz klar auf den öffentlichen Personennahverkehr legen. Man müsste mit der PDS keine Diskussion führen, ob die U 5 unverzichtbar ist oder ob der Stadtautobahnring sechsspurig ausgebaut wird. Ökologische und soziale Reformpolitik wäre nur mit Rot-Rot-Grün durchsetzbar, weil die Schnittmenge zwischen den drei Parteien größer ist.

Einige Grüne argumentieren, bei einem rot-rot-grünen Bündnis würden die Grünen nicht für die Mehrheit gebraucht. Ohne echtes Drohpotenzial könnten sie letztlich nichts durchsetzen.

Dieses Argument unterstellt, es gäbe immer eine Allianz von SPD und PDS gegen die Grünen. Dabei gibt es doch eine ganze Reihe von Punkten, wo sich Grüne und PDS näher stehen. Und wir hätten ein enormes Druckpotenzial: PDS und Grüne wären gemeinsam stärker als die SPD. Auch deshalb möchte die SPD nicht in dieses Dreierbündnis.

An der PDS würde Rot-Rot-Grün also nicht scheitern?

Wir haben bereits am Tag nach der Wahl öffentlich die Möglichkeit Rot-Rot-Grün ins Spiel gebracht. In der PDS gibt es unterschiedliche Grade an Begeisterung für solch ein Dreierbündnis, aber Konsens ist: An der PDS wird Rot-Rot-Grün nicht scheitern. Die SPD wollte nur Rot-Rot oder eine Ampel sondieren. Und die Grünen haben nie ernsthaft den Versuch gemacht, die Tür zur Ampel zu schließen und damit die Pläne der SPD zu durchkreuzen.

Die PDS ist bisher zurückgewiesen worden. Hält ihre Bereitschaft zur Regierungsbeteiligung ewig vor?

Die Frage nach Koalitionen macht man an politischen Inhalten fest. Wir wollen politische Veränderungen in dieser Stadt. Wir wollen diese Veränderungen auch durch eine Regierungsbeteiligung. Sollte die Ampel scheitern, hätten wir allerdings gegenüber der SPD eine verbesserte Verhandlungsposition.

INTERVIEW: ROBIN ALEXANDER