ISRAEL RÜCKT VON WAFFENRUHE ALS VERHANDLUNGSBEDINGUNG AB
: Erkenntnis ersetzt Meinungswandel

Es sei ja wohl besser, die Initiative selbst zu ergreifen als dies den anderen zu überlassen, meint Israels Außenminister Schimon Peres. Er versucht damit, den Skeptikern im eigenen Lager klar zu machen, warum er sich nun täglich mit PLO-Chef Jassir Arafat und anderen führenden Palästinensern trifft. Und warum plötzlich nicht mehr gelten sollte, was bisher oberste Forderung Jerusalems war: Bevor es wieder zu Verhandlungen komme, müsse erst einmal eine völlige Waffenruhe eintreten.

Nicht nur Peres scheint diese Vorbedingungen über Bord geworfen zu haben, sondern auch Ministerpräsident Ariel Scharon. Der spricht plötzlich von Friedensverhandlungen und sogar von einem palästinensischen Staat, der ihm mehr als allen anderen bisher ein rotes Tuch gewesen war.

Ein Meinungswandel? Wohl kaum. Aber doch die Erkenntnis, dass es so wie bisher nicht weitergehen kann. Und dass – Peres sieht das wohl sehr richtig – es nur eine Frage der Zeit sein dürfte, bis Washington ein eigenes Konzept für eine Befriedung der Region auf den Tisch legt. Das könnte bereits in der erwarteten Nahost-Rede von US-Außenminister Powell geschehen, und Jerusalem will nun beweisen, dass es an ihm ja nicht liege.

Natürlich ist es unsinnig, Israel die Schuld am internationalen Terrorismus zu geben, wie immer mehr „Experten“ dies tun. Aber solange Israelis und Palästinenser einander umbringen und solange die USA dagegen nichts tun, so lange werden solche Thesen auf offene Ohren stoßen. Washington wird es zusehends schwerer fallen, die „Koalition gegen den Terrorismus“ zusammenzuhalten.

Scharons erste Reaktion war, dass Washington nun – Chamberlain lässt grüßen – Israel für die Anti-Terror-Koalition zu opfern bereit sei. Dieser Vorwurf hat ihm in Washington nicht gerade Freunde gemacht. Da ist die Strategie von Peres besser. Auch er geht von einer Waffenruhe aus, stellt aber mehr in Aussicht: Unter anderem die Erfüllung der UNO-Resolutionen242 und 338 (die allen bisherigen Friedensbemühungen zugrunde liegen), Entschädigung (nicht aber Rückkehr) der Flüchtlinge ins Staatsgebiet Israels und die Gründung eines entmilitarisierten Staates Palästina.

Noch ist in dem Plan mehr offen als geklärt. Offen ist etwa die Zukunft Jerusalems oder die Frage der Siedlungen in den besetzten Gebieten – es könnte aber ein Anfang sein. Wichtig ist, dass Washington und die Europäer diese Idee wenigstens prinzipiell akzeptieren. Noch wichtiger ist aber: auch die Palästinenser müssen sich ihr öffnen. Das ist noch nicht sicher. Aber auch für die Palästinenser wäre es sicher besser, mit Israel gemeinsam eine Strategie auszuarbeiten als sich eine von außen verordnen zu lassen. PETER PHILIPP