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: Der deutsche Beitrag: Die Kriegsziele werden nicht hinterfragt

„Unsere Ehre heißt Treue“ – nach dieser zu Recht in Verruf geratenen Maxime sollten wir nicht verfahren, wenn es um die Unterstützung der USA im Kampf gegen den internationalen Terrorismus geht. Deshalb ist es nur zu begrüßen, wenn an die Stelle der „uneingeschränkten“ Solidarität jetzt in der Öffentlichkeit zunehmend die „kritische“ tritt. Beim Vorstand der Grünen ist „kritisch“ nichts als eine Beruhigungsformel. Aber die Idee an sich ist ausbaufähig.

Für Bundeskanzler Schröder bedeutet uneingeschränkte Solidarität: Die Amerikaner fordern an, wir liefern. Basta! Woran hätte sich gegenüber diesem Automatismus das Kritische einer kritischen Solidarität festzumachen? Zunächst an der Verschwommenheit der politischen Ziele, dann, hieraus folgend, an der Unklarheit der Kriegsziele.

Während in der Vergangenheit wirkliche Kriege oft zu Polizeiaktionen umstilisiert wurden, wird diesmal, was eigentlich eine internationale, militärisch gestützte Polizeioperation sein sollte, unter der Hand zu einem echten Krieg umdefiniert. Daraus folgt, dass die Terrorismusbekämpfung immer mehr in den Hintergrund gerät, während der Sturz des gegenwärtigen Taliban-Regimes zum eigentlichen Kriegsziel gemacht wird.

Was aber ist dann das politische Ziel hinter diesem Kriegsziel? Mit welcher Lösung soll dieser Krieg enden? Mit der vollständigen Beseitigung der Taliban oder mit einem Vertragsfrieden? Geht es um Niederwerfung oder um Verhandlungen? Mit Carl von Clausewitz zu sprechen: Wie soll die Politik als Fortsetzung des Krieges aussehen?

Nach wie vor heißt es aber außerdem, der Krieg werde langwierig sein und erst mit dem Sieg über den internationalen Terrorismus enden. Ist jetzt „Krieg“ eine Metapher oder geht es tatsächlich um weitere Kriege? Wer wären im letzteren Fall die Gegner, welche Kriegsziele und welche politischen Zwecke wären dann anzustreben? Uns wird stets versichert, die internationale Terrorismusbekämpfung bestehe aus einem Dreiklang, um Schröders Lieblingsbild zu verwenden: aus der militärischen, der politischen und der humanitären Komponente. Aber anders als in der Musik genügt es nicht, drei Tasten anzuschlagen. Kritische Solidarität muss auf Zielklarheit bestehen und auf der Bestimmung der Mittel. Erst diese Klarheit kann den Umfang und die Grenzen der Solidarität bestimmen. Es geht ums Primat der Politik und um kein Experiment nach dem Prinzip von Versuch und Irrtum. CHRISTIAN SEMLER