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■ Gob Squad zeigen „What Are You Looking At?“ auf Kampnagel

Es gab eine Zeit vor Big Brother. Als Menschen nicht aus Ruhmsucht oder Geldgier freiwillig ein videoüberwachtes Haus betraten, sondern dies wegen der Kunst taten, um Voyerismus zu thematisieren und dem aktuellen Theaterdiskurs eine neue Facette hinzuzufügen. Das Stück What Are You Looking At? der britisch-deutschen Gruppe Gob Squad spielt in einer verspiegelten Box. Produziert wurde es anlässlich der Berlin Biennale 1998.

Die Akteure feiern in einer Art riesigem Aquarium Barbecue-Partys, veranstalten Dia-Stunden oder feiern einfach. Die Glaswände der Box sind innen verspiegelt, so dass Gob Squad nicht herausschauen, aber von den Zuschauern beobachtet werden können. Die inszenierte „Schlüsselloch-Disco“ dauert etwa sechs Stunden, je nachdem wie fit die Darsteller und die Zuschauer sind. Nach jeweils zwei Stunden wechseln Gob Squad die Szenerie. Begehen sie den ersten Teil ihrer Show noch brav in Kommunionskleidung oder im Abschlussball- Outfit, wechseln sie langsam zu düstereren oder punkigen Varianten. Sie schlüpfen in Gothic-Klamotten und ersetzen den Grill durch eine Videoanlage, auf der Pornos laufen.

Die Zuschauer können den ganzen Glaskasten umgehen, es gibt eine Handynummer, auf der sie sich von Gob Squad Songs oder Lieblingsaktionen wünschen können. Im Verlauf des Abends entspannt sich die Atmosphäre zunehmend, bis auch die Zuschauer draußen mittanzen oder kleine Überlebenspackungen hineinwerfen.

Im Grunde ist What Are You Looking At? ein Lehrstück einer Theaterform, die vom Amsterdamer Theoretiker Edgar Jager den Namen „Ambient Theatre“ erhalten hat. In seinem Internetmagazin Datum formuliert er die Frage, wie Menschen die Zeit beschreiben können, in der sie leben, wo es immer weniger Raum gibt, in dem man leben kann: „Die Suche nach Locations zum Leben und zum Kreativsein ist heutzutage das Hauptthema der Kultur. Bilder und Metaphern bzw. Raumschiffe und Wohnzimmer werden dazu eingesetzt, diesem Drang zur Schaffung von Lebensräumen Ausdruck zu verleihen.“ Dabei löst Ambient Theatre im Allgemeinen und Gob Squad im Speziellen, abgesehen vom inszenierten Ort, die Trennung zwischen Kunst und Künstlichkeit, Privatem und Öffentlichem auf charmante Weise auf: „Was wir auf der Bühne und was wir im Zuschauerraum machen, ist dasselbe. Alle Realitätsbestandteile sind vorhanden.“ Ivo Andric

heute und morgen, ab 20 Uhr, Kampnagel