Jagen und Sammeln

■ Reisebericht und O-Ton: Raul Zelik sucht in „Grenzgängerbeatz“ nach Brüchigem. Eine Lesung im Ostertor

Weil er die von spaßgesellschaftlicher Umtriebigkeit diktierte „Ästhetisierung der Oberfläche“ genauso satt hat wie das Staatsdichtertum einiger PopliteratInnen, ruft der 32-jährige Berliner Autor Raul Zelik nicht etwa im Gleichklang mit Scholl-Latour griesgrämig das Ende dieser Gesellschaftsform aus. Er interessiert sich schlicht nicht dafür. Mit Feingefühl für die „Bas-tardisierung der Sprache“ schreibt er „über diejenigen, die nicht dazugehören und nicht dazugehören wollen“.

Etwas Jäger- und Sammler-Haftes ist Zeliks Stories eigen. Stilistisch, weil er „ohne Techniken“ schreibt und sich, was er kann, „durch Ausprobieren erarbeitet“ hat. Aber auch inhaltlich. Die „Grenzgängerbeatz“ bearbeiten Geschichten, die Zelik erzählt wurden, irgendwo auf der Straße. Oder Erlebnisse seiner zahlreichen Reisen. Er erzählt schnell, dicht und ungemein unterhaltsam. Etwa von der „Ghetto Sista“ Gül, die, weil sie verheiratet werden soll, im teddyplüschrosa Jugendzimmer einer Freundin unterschlüpft. Oder vom „Abiturkurden“ Fikret, der in eine Messerstecherei verwickelt wird. Oder vom „mauretanischen Schlüsselfetischisten“. Oder, oder, oder... Anschaulich und liebevoll mixt Zelik die Eleganz eines guten Films, die Faszination eines Hip-Hop-Tracks, der einfach kickt , die Komplexität der Cultural Studies und sein politisches Selbstverständnis zu entwaffnend sympathischen und vor allem komischen Kurzgeschichten. „Als ich am nächsten Morgen aufbrach (...) wusste ich, dass die Gesichter (...) für mich noch genauso weit weg waren wie bei meiner Ankunft. Aber das war längst nicht mehr so wichtig.“ Tim Schomacker

Raul Zelik liest am heutigen Donnerstag um 20 Uhr im Buchladen Ostertor, Fehrfeld 60, aus „Grenzgängerbeatz“