Besiegelt per Tattoo

Von Städten und Stilmischungen: Das 21-jährige Soul-Wunderkind Bilal und die Latin-Lokalmatadoren Ozomatli stehen für den neuen Sound von Philadelphia und Los Angeles. Heute präsentieren sich die Newcomer im Casino

Es gehört zu den bewährten Gemeinplätzen der Pop-Historiografie, bestimmten Städten und Epochen einen jeweils spezifischen Sound zuzuordnen. So stehen Orte wie Liverpool und Detroit stellvertretend für ganze Genres, während andere, so wie Seattle oder Manchester, sich nur für eine begrenzte Zeit nach vorne spielen konnten. Natürlich ist diese Wahrnehmung stark selektiv: Für die einen ist das Mississippi-Delta, die Wiege des Blues, eben wichtiger als für andere.

Manchmal aber bilden sich, im Schatten des Hauptgeschehens, in alten Ballungszentren des Pop-Zeitalters wieder ganz neue Blüten heraus, weswegen man gerne von der Wiedergeburt einer Stadt spricht. Die neue Soul-Szene aus Philadalphia um Concious Rap und Nu Soul, um Jazz-Poetry und Spoken Word, ist mit ihren bekanntesten Protagonisten wie Erykah Badu, Mos Def und D’Angelo längst auch in Europa ins öffentliche Bewusstsein gedrungen.

Der erst 21-jährige, aber schon als Wunderkind des Soul gehandelte Bilal zählt, obschon er seinen Wohnsitz inzwischen nach New York verlagert hat, wie die genannten Namen zum Nukleus des Soul Aquarians Collective, wie sich in Philadelphia die Jünger des Aquarius-Zeitalters selbst zu bezeichnen belieben. Bilal, der Falsett-Crooner, bewegt sich in den Stiefelspuren eines Marvin Gaye oder eines Prince und hat durch vielfältige Gastspiele auf Alben von US-Rappern wie Guru und Common neugierig auf sich gemacht.

Kürzlich hat er sich nun mit seinem Debüt „1st born second“ als Talent empfohlen, mit dem in Zukunft noch zu rechnen sein wird. Mit seinem Konzert im Casino wird Bilal die Fackel des neuen Philly-Sounds nun erstmals mit eigenen Händen nach Berlin tragen.

Für eine völlig andere Szene stehen Ozomatli, die zeigen, dass auch die sattsam exponierte USA noch für musikalische Überraschungen gut ist. Wenig bekannt ist nämlich, was derzeit in Los Angeles alles so vor sich geht. Und dort scheint einiges zu gehen, wenn man den bisherigen Output von Ozomatli als Indiz nimmt. Los Angeles ist bekanntlich seit jeher auch eine Hochburg der Migranten aus Mittelamerika, und Ozomatli verstehen sich als deren Repräsentanten – nicht nur musikalisch, sondern auch politisch: Einst ist das zehnköpfige Kollektiv aus einem Arbeitskampf hervorgegenagen, und noch heute haben Benefizveranstaltungen für politische Gruppen, High-School-Auftritte und Gewerkschaftsgigs in ihrem Tourkalender besonderes Gewicht. Dabei ist der ziemlich voll, denn seit Ozomatli vor drei Jahren ihr Debütalbum vorlegten, ist die Gruppe fast ununterbrochen unterwegs, quer durch die Staaten, aber auch schon von gelegentlichen Abstechern nach Europa oder Japan honoriert. In Los Angeles werden Ozomatli als Lokalmatadoren gefeiert, dort macht ihr Logo – bestehend aus dem Wort „OZO“ in einem Kreis, wobei der Buchstabe Z die beiden Os einrahmt – unter besonders verbundenen Fans angeblich sogar als Tattoo die Runde.

Ozomatli dribbeln sich gekonnt an Latin-Jazz, Salsa-Funk und HipHop entlang und flechten auch schon mal eine kolumbianische Cumbia-Melodie ein, wenn es denn in den Funk-Groove passt. Spanisch ist, wie ja auch in East LA, die vorherrschende Sprache, und zu ihrem Instrumentarium zählen Turntables ebenso wie Congas, Trillerpfeifen und Bläser: ein hybrider Schmelztiegel à la Chicano.

DANIEL BAX

Im Casino, Mühlenstr. 26–30, Friedrichshain, ab 21 Uhr