Mindestens makaber

■ Roma-Vorsitzender Kawczynski soll einen Protestmarsch mit 50 Tagen Haft büßen – ausgerechnet im Gefängnis Neuengamme

Der Vorsitzende des „Roma National Congress (RNC)“ Rudko Kawczynski soll ins Gefängnis – ausgerechnet nach Neuengamme, wo während der Nazi-Diktatur rund 500 Roma und Sinti im Konzentrationslager inhaftiert waren. Denn am 9. November 1990 hatte Kawczynski an einem Protestmarsch mehrerer hundert Roma für ihr Bleiberecht teilgenommen. Die DemonstrantInnen hatten auf ihre drohende Abschiebung nach Jugoslawien aufmerksam gemacht.

Am Grenzübergang Basel wurde der Protestmarsch gestoppt und an der Ausreise aus der BRD in die Schweiz gehindert. Die Roma blockierten daraufhin den Grenzübergang für sieben Tage. Wegen Nötigung im Straßenverkehr verurteilte das Amtsgericht Lörrach Kawczynski zu einer Haft von 50 Tagen. Die soll er am 19. November antreten – wegen des Instanzenzuges elf Jahre nach der Tat, und in Hamburg, weil das Büro des RNC auf St. Pauli ist.

Kawczynski hat sich ungezählte Male für das Bleiberecht von Roma eingesetzt. Zuletzt im Oktober hatten Roma vor der Hamburger Ausländerbehörde gegen drohende Abschiebungen in das Gebiet Ex-Jugoslawiens protestiert. Ende November wird in Hamburg eine vom Europarat und der OSZE mitgetragene Konferenz zur Lage von Roma und Sinti in Osteuropa abgehalten. Kawczynski wird diese im Namen des RNC eröffnen. „Anschließend kann ich mich dann in Neuengamme zur Haft melden.“

Der RNC-Vorsitzende wird von anderen Roma-Organisationen unterstützt: „Wir verstehen diesen Gerichtsbeschluss mehr als einen politischen als einen juristischen“, kommentierte etwa der Autor Rajko Djuric im Namen des Romani PEN-Clubs.

Kawczynski bezeichnete es als „makaber, dass ich die Haft ausgerechnet in Neuengamme antreten muss“. Auf seinem Weg ins Gefängnis wird der Vorsitzende des RNC am 19. November an zwei Schildern vorbeikommen, die direkt untereinander hängen: Oben steht „KZ-Gedenkstätte Neuengamme“, darunter „Vollzugsanstalten Vierlande“. Gaston Kirsche