Kein Einvernehmen über Neuengamme

Interims-Kultursenator Lange kündigt Umbau der KZ-Gedenkstätte Neuengamme und Verlegung des Gefängnisses an. Heute 63. Jahrestag der Reichspogromnacht  ■ Von Elke Spanner

Rudolf Lange (FDP) hat mit Worten Fakten geschaffen. Während seine Koalitionspartner Ole von Beust (CDU) und Ronald Schill (Schill) noch davon sprechen, über den Ausbau der KZ-Gedenkstätte Neuengamme das „Einvernehmen“ mit Organisationen ehemaliger Häftlinge suchen zu wollen, kündigte der Interims-Kultursenator gestern an: „Wir werden die Justizvollzugsanstalt XII, die auf dem Gelände der ehemaligen Häftlingsbaracken steht, schließen und nach Billwerder verlagern.“

Das stand zwar bereits vor dem Regierungswechsel fest. Der neue Rechtssenat hatte die einstimmige Entscheidung der Bürgerschaft aber in seinem Koalitionsvertrag wieder infrage gestellt. Und Lange hat seine Worte nicht in der Koalition abgesprochen. Deshalb ruderte er nach seiner Ankündigung selber wieder etwas zurück: Eine endgültige Entscheidung werde erst nach einem Gespräch mit Überlebendenorganisationen am 21. November getroffen.

Wird das Gefängnis verlegt und die Gedenkstätte umgebaut, wird diese den Namenszusatz „Ausstellungs-, Begegnungs- und Studienzentrum“ tragen. Zentraler Gesichtspunkt des neuen Konzeptes wird die Trennung in einen „Gedenkbereich“ und einen „Dokumentationsbereich“ sein. Das künftige Programm soll der Entwicklung Rechnung tragen, dass die Erinnerungskultur im Umbruch ist.

Zum einen, weil ehemals Verfolgte und andere NS-ZeitzeugInnen als wesentliche Vermittler der Geschichte bald nicht mehr zur Verfügung stehen werden. Zum anderen, so Gedenkstättenmitarbeiter Jens Michelsen in seiner Machbarkeitsstudie zur Umgestaltung, wurde in Untersuchungen festgestellt, dass die Kenntnis von Begriffen wie „Holocaust“ nicht zwangsläufig „eine Zunahme des realen Wissens über den Alltag und den Terror des Nationalsozialismus zur Folge hat oder gar eine Immunisierung gegen neue Formen des Rechtsextremismus bewirkt“.

Deshalb setzt das zukünftige Programm auf die Vermittlung der Geschichte „in Bezug zu aktuellen Fragestellungen, die für die Auseinandersetzung mit der Shoah, mit Menschenrechtsverletzungen in Vergangenheit und Zukunft, für die Entwicklung demokratischen Denkens und Handelns, für die Herausbildung einer gemeinsamen europäischen Identität und für das Miteinander verschiedenener Kulturen wegweisend sind“.

Für Anfang 2003 ist der Umzug des Gefängnisses nach Billwerder vorgesehen. Dann werden die Nachkriegsbauten auf dem Gelände abgerissen – bis auf einen kleinen Teil der Außenmauer des Zellentraktes, der den Umgang mit dem KZ in der Nachkriegszeit dokumentiert. Anschließend werden die Grundflächen der damaligen Häftlingsbaracken, des Krankenreviers, des Arrestbunkers und der anderen Baracken des „Schutzhaftlagers“ kenntlich gemacht. Ein ehemaliger Häftlingsblock wird als Begegnungs- und Studienzentrum eingerichtet.

In den Jahren 2004 und 2005 wird ein Gebäude für die neue Hauptausstellung zur Geschichte des KZ und seinen Außenlagern hergerichtet. In einem letzten Schritt wird in den ehemaligen Walther-Werken, in denen Häftlinge zwangsweise arbeiten mussten, ein Gästehaus für die TeilnehmerInnen der historisch-politischen Seminare errichtet.