Wind und Politik

■ In der neuen Reihe „Europäisches Theater“ holt das Schauspielhaus dieses Jahr Frankreich an die Weser

Frankreichfreunde kommen an diesem Wochenende voll auf ihre Kosten. Das Bremer Theater präsentiert zwei Aufführungen und drei Lesungen von Theatertexten aus dem Nachbarland. In der Reihe „Europäisches Theater“ werden heute die Veranstaltungen zum Themenland Frankreich mit der deutschsprachigen Erstaufführung von „Einfach das Ende der Welt“ eröffnet.

Das Stück von Jean-Luc La-garce, im vergangenen Herbst in Paris uraufgeführt, zeigt eine komisch quälende Familiensituation. Als der Autor das Stück vor zehn Jahren in Berlin geschrieben hat, war er bereits an Aids erkrankt. Auch Louis, die Hauptfigur in „Einfach das Ende der Welt“, ist mit dem Tod konfrontiert: „Ich bin jetzt 34 Jahre alt und in diesem Alter werde ich sterben.“ Doch darüber wird in seiner Familie nicht gesprochen, als er nach vielen Jahren zurückkehrt. Denn unter der Oberfläche sorgenden Wohlwollens staut sich ein Berg an wechselseitigen Vorwürfen und Kränkungen, die sich in ausufernden Tiraden entladen.

In der „Langen Nacht der Autoren“ gibt es am Samstag Theatertexte pur. Dieser Fokus auf die Autoren spiegelt die neue Ausrichtung der Theaterförderung in Frankreich. Standen bislang die Regisseure im Mittelpunkt, werden jetzt die Textproduzenten stärker berücksichtigt, sagt Daniela vom Scheidt. Die Leiterin des Institut Francais, neben dem Berliner „Bureau du ThéÛtre“ Mitveranstalter des „Europäischen Theaters“, berichtet, dass in der Bremer Dependance ein Drittel des Jahresetats für die Förderung der Autoren aufgewendet wird.

Die Lesungen beginnen mit Alain Gautré, der in Frankreich als politischer Autor etikettiert wird, seit er sich in Wallraff-Manier in die Szene der extremen Rechten einschlich, um dort zu recherchieren. In „Familienbande“ rechnet er mit fragwürdigen Elementen des französischen Nationalbewusstseins ab, mit unterschwelligem Rassismus, der sich als Heimatliebe tarnt und mit der Behauptung, dass die Franzosen mehrheitlich der Résistance angehört hätten. Dennoch wehrt sich Gautré gegen die Einordnung als politischer Autor: „In meinen Stücken ist die Gegenwart des Windes genauso wichtig wie die Politik.“

Nach zwei weiteren, teils zweisprachigen Lesungen aus Stücken von Valère Novarina und dem Franko-Kanadier Daniel Danis, gibt es noch ein Fest, das von der kanadischen Botschaft unterstützt wird. Zu lange darf aber nicht gefeiert werden, denn am Sonntag beginnt um 11 Uhr ein Podiumsgepräch über das französische Gegenwartstheater. Anschließend wird ein Übersetzerpreis vergeben, dessen Dotierung die Bremer Theaterfreunde ermöglicht haben. Den Abschluss bildet das Gastspiel des ThéÛtre Vidy-Lausanne. Das Stück „Abel et Bela suivi de Nuit“ von Robert Pinget wird in französischer Sprache gespielt und mit deutschen Übertiteln versehen. Liebhaber der romanischen Kultur können sich schon auf das nächste Jahr freuen. Dann ist das spanische Theater an der Weser zu Gast. pr

Alle Veranstaltungen im Schauspielhaus. „Einfach das Ende der Welt“ am Freitag, 20 Uhr. „Lange Nacht der Autoren“ am Samstag, 19 Uhr. Podiumsgespräch am Sonntag, 11.30 Uhr. „Abel et Bela suivi de Nuit am Sonntag, 20 Uhr.