Alles schön im Fluss

Zwischen esoterischen Wellen und harter Politik: Die Reihe „Vom Wasser“ im Arsenal

Filme über Wasser sind immer auch Filme über Menschen und ihre Sehnsüchte. Wasser ist die Grundlage von Zivilisation. Die Furten von Flüssen und die Ufer von Seen sind seit jeher Sammelstelle von Menschen gewesen, von wo aus sie das Land erschlossen, für die sie Kriege führten. Das Wasser: Urstoff (Erde/Wasser, Ying/Yang), mythisches Element und universale Metapher. Die meditative Gleichförmigkeit des Stroms spiegelt das Einssein mit sich und der Welt wider. Dafür wurde Esoterik erfunden. Der indische Maler und Filmemacher Viswanadhan sagt: „Das Wasser ist das ununterscheidbare Ursprüngliche, aus dem alles entspringt und zu dem alles zurückkehrt, um sich zu erneuern.“

Unter dem Aspekt einer spirituellen Ökonomie des Wassers sind Viswanadhans Film „Eau/Ganges“ und Christoph Janetzkos „Vom Fluss – River Colors“ die zentralen Filme der Reeihe „Vom Wasser“ im Kino Arsenal. Ihr Ansatz ist essayistisch, ohne dem esoterischen Duktus einer langen, ruhigen Flussfahrt zu verfallen. Stellenweise besitzen sie sogar die anthropologische Qualität des Cinema Verité, weil die dezenten Montagen der langen Plansequenzen mehr wie ein Driften als wie ein Bruch im Zeitgefüge erscheinen. Janetzko untersucht in „Vom Fluss – River Colors“ das Leben der Menschen entlang den asiatischen Wasserstraßen. In den Ufersiedlungen trifft das einfache bäuerliche Leben auf die Moderne, stilisiert in den Feldaufnahmen auf der Tonspur: Natur, Arbeit und Technik sind eng miteinander verwoben und liefern fast spirituell klingende Oberflächen.

Wasser zeigt sich im Rahmen des kleinen Festivals aber auch als ganz konkreter ökonomischer Faktor, ein Politikum. Der so genannte Wasserkrieg im Kalifornien der 20er-Jahre dient dem Dokumentarfilmer Pat O’Neill als Fragment in seiner cleveren Reflektion „Water and Power“. Das ehemals blühende Owens Valley 260 Kilometer südlich von Los Angeles wurde von Wasserspekulanten systematisch ausgetrocknet, um mit der Versorgung der Metropole riesige Profite in die eigene Tasche zu erwirtschaften. Heute hängen toxische Staubwolken über dem Tal. Der Wasserkrieg wurde in den Legenden des Westens zum Symbol der Arroganz der Städter gegenüber der Landbevölkerung.

In der argentinischen Farce „Die Überfluteten“ wiederum dienen die jährliche Überschwemmungen in der Provinzstadt Santa Fé als Bühne für die medienwirksamen Inszenierungen von korrupten Verwaltungsbeamten und Politikern.

Wasser kommt immer dann als Machtinstrument ins Spiel, wenn in strukturell unterentwickelten Regionen ein Versorgungsnachschub feststellbar wird. In solchen Krisen verliert das Element auch seine poetische Qualität und wird endgültig zur schlichten Notwendigkeit. In „Trockenes Leben“, einem Klassiker des brasilianischen Cinema Novo, ist seine Abwesenheit wesentliches Motiv für die Bewegungen der Menschen. Hier unterliegt das Leben der Landbevölkerung den zyklischen Läufen von Dürre, Regenzeit und fruchtbaren Perioden. Die ganze Kargheit der Landschaft steckt in den schlichten Schwarzweißbildern von Nelson Pereira dos Santos’ Meisterwerk. Die verzweifelte Suche nach Wasser und Nahrung wird für den Bauern Fabiano und seiner Familie zur existenzialistischen Herausforderung. Und immer muss etwas zurückgelassen werden, damit es weitergehen kann.

ANDREAS BUSCHE

Filmreihe „Vom Wasser“ noch bis 17. 11. im Arsenal, Potsdamerstraße 2, Tiergarten