Friedensverhandlungen vor dem Aus

Die kolumbianische Farc-Guerilla befürchtet eine Ausweitung des „Kriegs gegen den Terrorismus“ und stellt Präsident Pastrana ein Ultimatum. Wenn er nicht einwilligt, sollen die Friedensverhandlungen beendet werden

SAN SALVADOR taz ■ So nahe standen die Friedensverhandlungen in Kolumbien noch nie vor dem endgültigen Scheitern. Am Mittwoch hat die Guerilla-Organisation Farc der Regierung ein Ultimatum gestellt. Sollte Präsident Andrés Pastrana auf die darin gestellten Forderungen nicht eingehen, werde die Farc die Verhandlungen einstellen, das ihr überlassene Gebiet formell zurückgeben und sich für den Krieg in die Berge zurückziehen.

Unter anderem verlangt die Guerilla, dass die Armee Überwachungsflüge über ihrem Rückzugsgebiet einstellt und flüchtende Guerilleros nicht mehr bis in diese Zone hinein verfolgt. Wichtigster Punkt aber ist eine politische Forderung: Pastrana müsse öffentlich erklären, dass es sich bei der Farc weder um Terroristen noch um Drogenhändler handle.

Die Forderung wurde Pastrana mit auf den Weg gegeben. Der Präsident flog am Donnerstag für vier Tage in die USA. Unter anderem will er dort über eine Aufstockung der Militärhilfe reden. Anne Patterson, US-Botschafterin in Bogotá, hatte dafür die Vorarbeit geleistet. Im Windschatten der Anschläge vom 11. September erinnerte sie bei jeder Gelegenheit daran, dass die Farc und die wesentlich kleinere ELN-Guerilla in Washington auf der Schwarzen Liste der Terrororganisationen stehen. Am 24. Oktober forderte sie die Auslieferung der Guerillaführer, um sie in den USA wegen Terrorismus vor Gericht zu stellen. Tags darauf verglich sie den Farc-Chef Manuel Marulanda gar mit Ussama Bin Laden.

Sollte es Zufall sein, dass Anfang dieser Woche ein Geheimbericht der Armee über angebliche Einnahmen der Guerilla an die Öffentlichkeit sickerte? Danach sollen Farc und ELN in den vergangenen zehn Jahren vier Milliarden Mark im Drogenhandel, 2,5 Milliarden mit Erpressungen und zwei Milliarden mit Entführungen verdient haben.

Der US-Regierung hatte Pastranas Verhandlungslinie nie gefallen. Schon gar nicht, dass er vor drei Jahren im Süden des Landes ein Gebiet der Größe der Schweiz von der Armee räumen ließ, um es der Farc zu überlassen. Statt sich für die dort stattfindenden zähen und bis heute weitgehend ergebnislosen Friedensverhandlungen zu interessieren, schickte Washington zuerst Militärberater, dann gut 2,8 Milliarden Mark, überwiegend direkte Militärhilfe. Das zahlte sich aus. Die kolumbianische Armee, die jahrelang gegen die rund 16.000 Kämpfer der Farc nur Niederlagen einsteckte, ist nun zu Gegenschlägen in der Lage. Sie kann ohne große Verluste in Gebiete eindringen, die von der Farc kontrolliert werden. Aber eines kann sie noch nicht: sich dauerhaft in Guerilla-Gebieten festsetzen. Dafür wäre eine weitere Aufstockung der Militärhilfe nötig.

Die Farc weiß, was mehr Geld für die Armee und mehr Militärberater aus den USA bedeuten können. Schon Anfang der Woche hatte sie in einer Erklärung davor gewarnt, dass der Krieg in Afghanistan „unter dem Vorwand des Kampfs gegen den Terrorismus auf andere Länder einschließlich Kolumbiens“ ausgedehnt werden könne. Das Ultimatum erscheint wie ein letzter Versuch, dieses Schicksal abzuwenden. TONI KEPPELER