Das Wendland widersetzt sich

Eine große Straßenblockade soll im Mittelpunkt der Proteste gegen den Castor-Transport nach Gorleben stehen, des Weiteren Bahnblockaden. Brief an den Bundeskanzler. Morgen Auftaktkundgebung in Lüneburg. Regensichere Unterkünfte vorhanden

aus Hannover JÜRGEN VOGES

Sechs Atommüllbehälter mit heißen strahlenden Abfällen aus der Wiederaufarbeitungsanlage La Hague sollen sich am Montag in Richtung Gorleben in Bewegung setzen. Die Polizei zieht in den kommenden Tagen 15.000 Beamte in der nordöstlichen Ecke Niedersachsens zusammen. Gut gerüstet für den Tag „X“ sind aber vor allem die Atomgegner aus dem Wendland. Nach den Worten von BI-Sprecher Wolfgang Ehmke wollen sie sich auf den letzten 70 Kilometern der Castor-Route zwischen Lüneburg und Gorleben an „der Straße und der Schiene platzieren“. Auch der fünfte Transport von hochradioaktivem Müll in das Zwischenlager werde massenhaft behindert, sein politischer Preis werde in die Höhe getrieben.

Ehmke erwartet rund 10.000 AKW-Gegener. Er sieht in den Protesten auch eine Abrechnung mit der Atompolitik der rot-grünen Bundesregierung. An den Chef dieser Regierung, an Bundeskanzler Gerhard Schröder, haben sich gestern noch einmal über 1.500 Bürger des Landkreises Lüchow-Dannenberg in einem offenen Brief gewandt. Das Schreiben enthält zwar einen Appell, den Transport noch in letzter Minute abzusagen, ist aber alles andere als eine Petition.

Die über 1.500 Wendländer, unter ihnen der ehemalige Landrat des Kreises Christian Zühlke (SPD) und zahlreiche Kommunalpolitiker jeglicher Couleur, kündigen dem Kanzler die Gefolgschaft auf, wollen sich in einem Akt des zivilen Ungehorsams dem Transport im wahrsten Sinne des Wortes „widersetzen“. Die 1.500 Unterzeichner, dabei auch die Ehrenvorsitzende der BI Lüchow-Dannenberg, Marianne Fritzen, kündigen die Teilnahme an der geplanten großen Sitzblockade gegen den Transport an: Unter der Parole „WiderSetzen“ rufen dazu zahlreiche wendländische Anti-Atom-Ortsgruppen und auch die Aktion „X-tausendmal-quer“ auf. Der Kanzler wisse, so heißt es in dem Schreiben, „dass ein Zwischenlager kein geeigneter Ort für die Atommülllagerung ist“. Aber er tue es trotzdem. Die Wendländer wüssten, „dass eine Sitzblockade eine Ordnungswidrigkeit ist“. Aber sie täten es trotzdem.

Die Sitzblockade soll diesmal frühzeitig beginnen. Hintergrund sind die Erfahrungen mit dem Straßenprotest beim letzten Transport im März, bei dem die Atommüllbehälter am Ende die knapp 20 Straßenkilometer zwischen Dannenberg und Gorleben praktisch unbehindert passieren konnten.

Bei der traditionellen Auftaktkundgebung der Protesttage am morgigen Samstag in Lüneburg erwartet die BI Lüchow-Dannenberg etwa 10.000 Teilnehmer. Zwischen Lüneburg und dem Zwischenlager soll es diesmal fünf Camps geben, in denen sich Atomgegner nach der Auftaktdemo für die weiteren Protesttage häuslich einrichten können.

Die Vorbereitung der Straßenblockade soll bereits nach der zweiten Protestdemonstration beginnen, zu der die BI am Sonntagmorgen in Splietau bei Dannenberg 6.000 Teilnehmer erwartet. Unter dem Motto „Wir lassen unsere Gäste nicht im Regen stehen“ wollen viele einheimische AKW-Gegner diesmal auswärtigen Demonstranten bei sich aufnehmen. Ein Dach über dem Kopf und einen Schlafplatz soll es auch in Scheunen, Hallen sowie in beheizten Zelten geben, die ein Unternehmen aus der Region zur Verfügung.

Neben der Aktion „WiderSetzen“ sind nach Angaben von Jochen Stay von „X-tausendmal quer“ erneut Gleisblockaden vorbereitet, dies auch auf den Fernstrecken, die der Castor-Zug auf seinem Weg quer durch die Bundesrepublik zurücklegen muss.

Auch Gesamteinsatzleiter Polizeidirektor Hans Reime rechnet mit massenhaften friedlichen Protesten auf der Straße. Von den 15.000 Polizisten müssen 9.000 mit einer Unterkunft in Wohncontainern vorlieb nehmen, die im Übrigen wegen einer hohen Belastung mit Formaldehyd häufig gelüftet werden müssen. Die Warnung des Einsatzleiters vor einer „Militanz höherer Qualität“, bezeichnete BI-Sprecher Ehmke als eine Art psychologische Kriegführung, die der gewaltfreie Protest im Wendland von der Polizei seit Jahren kenne.

Im Netz: www.bi-luechow-dannenberg.de, www.x1000malquer.de, www.polizei.niedersachsen.de/castor