berliner szenen
: Glamour und Politik

MTVs Lola

Da wurden auf MTV nun oben rechts wochenlang die Tage runtergezählt bis zur großen Bescherung, und dann hätte man die Verleihung der Awards doch beinahe verpasst! Also business as usual am Donnerstagabend: hier reingeschaut, dort hingezappt, und plötzlich entdeckt, dass ja gerade die European „MTV Europe Music Awards“ in der Frankfurter Festhalle verliehen wurden. Da sah man also Fred Durst, wie er sein Sektglas ins Publikum schmiss und zur Entgegennahme eines Preises schritt, und stellte sich sofort die Frage: Wen interessiert das eigentlich? Schon die MTV-US-Awards und die Grammys sind hart an der Grenze, aber diese Euro-Awards? Wie heißt noch gleich der europäische Filmpreis? Felix, Bärli? Oder Lola? MTV hat zwar einen großen Auftritt, verhält sich aber nicht programmkonform: Alle Prämiierten und ihre Songs sind Oldies und aus der hauseigenen Rotation meist verschwunden: Eminems und Didos „Stan“ oder „Clint Eastwood“ von den Gorillaz oder gar Craig David!

Aber klar, es geht ja auch um die Inszenierung, den Glamour: Boris Becker oder Claudia Schiffer waren da und freuten sich bestimmt ganz doll mit Samy Deluxe als besten deutschen Act. Und klar, es ging darum, politische Zeichen zu setzen: gegen den Krieg zu sein wie Grönemeyer. Oder auch um die Verleihung des so genannten free your mind award an ein südafrikanisches Aidshilfeprojekt, deren beide Vertreter mit ihren HIV-Shirts und ihren bewegenden Ansprachen aber irgendwie fehl am Platz waren. Natürlich ein Miesepeter, wer auf den Gedanken kommt, dass man mit dem vielen Geld, die diese Verleihung gekostet hat, bestimmt eine Menge Aidsmedikamente für das Projekt hätte kaufen können.

GERRIT BARTELS