Problemschwanger

Warum der deutsche Eisschnelllauf-Verband trotz erfolgreicher Bilanz nur schwer einen Geldgeber findet

BERLIN taz ■ Im Sommer war die Welt der deutschen Eisschnellläufer noch in Ordnung. Gunda Niemann-Stirnemann war auf dem besten Weg zu olympischem Gold 2002 in Salt Lake City. Der Verband war gut versorgt mit einem Sponsor. Aber dann kam es zur „Verkettung unglücklicher Umstände“, wie Günter Schumacher sagt. Der Sportdirektor der Deutschen Eisschnelllauf-Gemeinschaft (DESG) meint damit zwei Dinge. Erst stieg der Geldgeber der DESG aus. Dann wurde Niemann-Stirnemann schwanger. Ein „Querschläger“ sei das gewesen, ließ die 35-jährige Athletin verbreiten. „Wir sind sozusagen auch schwanger“, sagt Schumacher, „ihren Ausfall können wir nicht kompensieren.“

Man kann sich kaum vorstellen, dass das Wohl und Wehe eines Verbands an einer Sportlerin allein hängt, zumal es andere erfolgreiche gibt: Anna Friesinger zum Beispiel, Monique Garbrecht, Sabine Völker oder Claudia Pechstein. Auch wurde Eisschnelllauf in der vergangenen Saison über 41 Stunden im Fernsehen gesendet. Die Einschaltquoten waren recht ordentlich. Warum also verlieren Sponsoren das Interesse an einer Sportart, die in eine olympische Saison geht und die Anfang Januar die Europameisterschaft im eigenen Land, in Erfurt, austrägt? „Ich weiß es wirklich nicht“, sagt Peter Rühberg. Seine Agentur, die Rübe Marketing aus Erfurt, sucht für die DESG Finanziers. Bisher funktionierte das unter dem Motto „Wir machen uns für sie ne Rübe“ gar nicht so schlecht.

Das Logo von Vita Cola, einem ostalgischen Softdrink, prangte zuletzt auf den Rennanzügen. Vier der sechs Logoplätze beansprucht der Verband. Zwei dürfen die Läufer mit eigenen Sponsoren belegen. Doch heuer gehen sie „nackt“ aufs Eis, wie Schumacher meint. Sven-Olaf Jensen, Sprecher von Brau und Brunnen, sagt, die TV-Übertragungen hätten vor allem ältere Leute angeschaut. Alt heißt: über 40. Nicht die Zielgruppe für Cola-Konsumenten. Das Unternehmen sei jedoch insgesamt zufrieden gewesen. Dafür, dass nur etwa eine halbe Million Mark zu investieren war, hätte es „eine exklusive Präsenz“ gegeben. Denn „beim Eislauf sind nicht alle heillos mit Logos zugekleistert“. Es herrscht werbemäßig Übersichtlichkeit, anders als beim Skispringen, wo auf dem „Werbefriedhof“ laut Sport und Markt AG nur zwei Marken überleben. Rühberg verhandelte danach mit einem holländischen Käsehersteller, der Frico Cheese GmbH. Selten hätte er so ein gutes Gefühl gehabt, erinnert er. Doch es trog. Die Holländer reagierten auf den „Querschläger“ von Niemann mit Rückzug, obwohl Rühberg ihnen einen saftigen Preisnachlass offerierte.

„Wir versuchen, nicht in Panik zu verfallen“, sagt er. Dazu gibt es ohnehin wenig Anlass. Die Saison ist finanziell „zu 95 Prozent“ (Schumacher) gesichert durch Mittel des Bundesinnenministeriums, der Bundeswehr und der Sporthilfe. Zur deutschen Mehrkampf-Meisterschaft in Erfurt (27./28. Dezember) soll der neue Verbandssponsor präsentiert werden. Bis dahin ist es denkbar, so Schumacher, dass die Sportler mehr Logoplätze nutzen können. „Das könnten wir von Ereignis zu Ereignis neu ausmachen“, sagt der Sportdirektor. Bei den internationalen Wettkämpfen müsste sich der Verband allerdings mit den Holländern abstimmen, die in der Vermarktung alle Stricke ziehen. Die Weltcup-Serie wird von der holländischen Agentur Referee verkauft, Welt- und Europameisterschaften von IMG Niedelande, die neun von zehn Sponsoren aus dem eigenen Land akquirierte. Dort stehen die Interessenten Schlange. „Holland kann das ganz anders“, gibt Schumacher zu. Hier zu Lande müssen Schlittschuhläufer, die mit langen Kufen zum Volkslauf wollen, mitunter damit leben, von eifrigen Eismeistern abgewiesen zu werden: im Nachbarland undenkbar.

Ein wenig mehr Glück als der Verband, der für Werbefachleute wenig sexy ist, haben Sportler, die Erfolg und Persönlichkeit verkaufen. Anna Friesinger hat über die Agentur Kärcher ein Versicherungsunternehmen (Deutscher Herold) von ihrer „Naturlichkeit und Frische“ überzeugt. Niemann-Stirnemann wird selbst in der Babypause von einem Thüringer Energieunternehmen (TEAG) unterstützt, weil die neue Co-Moderatorin des ZDF das Firmenlogo dann in die Kamera halten kann. Am Wochenende geht es beim Weltcup über die Mitteldistanzen (1.500, 3.000 Meter) in Berlin aber erst einmal darum, sich in der Weltspitze zu behaupten. Den Frauen des DESG wird dies nicht schwer fallen. Wenigstens da sieht Sportdirektor Schumacher „alles querfeldbeet positiv“.

MARKUS VÖLKER