Kampf gegen bürokratische Sabotage

In Japans Außenministerium tobt ein Machtkampf zwischen der im Volk beliebten Ministerin Makiko Tanaka und ihren Elitebürokraten. Es geht um das Primat der Politik über die Verwaltung und die Achtung vor Politikerinnen

TOKIO taz ■ „Das Reich schlägt zurück!“, nennt das japanische Politikmagazin Sentaku den Machtkampf zwischen der Außenministerin Makiko Tanaka und ihren Spitzenbeamten. Die Anspielung auf eine Folge des Filmepos „Krieg der Sterne“ war gewollt. Die meisten Japaner sehen die Auseinandersetzung als Duell zwischen einer Heldin und dunklen Mächten: Auf der einen Seite die gradlinige Frauenpolitikerin, die Farbe in Japans Außenpolitik brachte, auf der anderen Seite eine konservative, von Korruptionsskandalen erschütterte Elitebürokratie, die fünfzig Jahre lang die Geschicke der japanischen Außenpolitik in eigener Regie leitete.

Der Streit spitzte sich in dieser Woche zu. Tanaka soll wegen einer Parlamentsdebatte über einen Korruptionsskandal in ihrem Ministerium bei der UNO-Generalversammlung und einem Treffen der G-8-Außenminister in New York von einem Vizeminister vertreten werden. Das beschlossen Spitzenbürokraten mit dem Rückhalt eines konservativen Flügels in der regierenden Liberal-Demokratischen Partei. Der ungewohnte Beschluss empörte Tanaka, und sie beschuldigte die Spitzenbeamten im Außenamt der Sabotage ihres Postens.

Der neue Schlag der Untergebenen wird als Rache an der resoluten Außenministerin betrachtet. Sie will gerade einen Skandal aufklären, bei dem sich Spitzenleute aus ihrem Ministerium aus einem geheimen Fonds bereicherten. Da es sich um Bürokraten mit engen Beziehungen zum mächtigen Hashimoto-Flügel in der Regierungspartei handelt, wird Tanaka auch von diesem mächtigen Block der eigenen Partei behindert. Sie war im Außenministerium bereits auf Widerstand gestoßen, als sie gegen den Willen der Spitzenbeamten Diplomaten umbesetzen wollte. Solch einen Schritt hatte noch kein Vorgänger gewagt.

Für Setsu Kobayashi, Politologieprofessor an der renommierten Keio-Universität, handelt sich um „einen grundsätzlichen Kampf um das Primat der Politik über die Verwaltung“. Die japanische Bürokratie und vor allem die Beamten des Außenamts seien es gewohnt, ihre Minister als „temporäre Marionetten“ zu behandeln, die mit verwaltungsintern vorbereiteten Reden den Kurs der Außenpolitik nach außen repräsentierten. Für eine solche Politik sei die aufsässige und gradlinige Tanaka allerdings schlecht einzuspannen, meint Kobayashi.

Die Frauenrechtlerin und TV-Kommentatorin Noriko Kimoto sieht hinter dem Streit einen Graben zwischen den Geschlechtern in der japanischen Spitzenpolitik. „Frauen werden von Spitzenbürokraten noch nicht als gleichwertig akzeptiert“, erklärt Kimoto, die Tanaka in ihrem Kampf unterstützt. Hinter der Sabotage aus dem Ministerium stehe auch der Versuch, Tanaka als eines der populärsten Kabinettsmitglieder von Premier Junichiro Koizumi mit gezielten Indiskretionen politisch „abzuschießen“. „Es ist nicht nur ein Streit im Außenministerium, sondern es geht um den Reformkurs in Japan, um die Achtung vor Politikerinnen und ihren selbständigen Ideen“, erklärt Kimoto.

In der Frage der Reise kam es jetzt zu einem Kompromiss. Zwar fährt nicht Tanaka nach New York, sondern der 80-jährige Kiichi Niyazea. Doch die Außenministerin machte gute Miene zu dem Gerangel und sagte, Niyazea, der nicht dem Hashimoto-Flügel angehört, sei ein geeigneter Mann, um sie zu vertreten. ANDRÉ KUNZ