Bald Windkraft von hoher See

Erster deutscher Offshore-Windpark vor der Insel Borkum genehmigt – allerdings nur in der kleinen Version. Wenn das Pilotprojekt alle Tests besteht, sollen drei Milliarden Mark investiert werden. Weitere 28 Anlagen beim Bundesamt beantragt

aus Hamburg GERNOT KNÖDLER

In Deutschland hat gestern eine neue Ära der Windenergienutzung begonnen. Das Hamburger Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) genehmigte den ersten Windpark auf hoher See in der ausschließlichen Wirtschaftszone Deutschlands. Bis spätestens zum 1. Juni 2004 darf die Firma „Prokon Nord Energiesysteme“ aus Leer 45 Kilometer westlich der Insel Borkum mit dem Bau von zwölf Windrädern beginnen. Verläuft dieses Pilotprojekt erfolgreich, will Prokon insgesamt 208 Anlagen bauen mit einer Nennleistung von 1.000 Megawatt – das entspricht einem mittleren Atomkraftwerk.

Das BSH geht in seiner Genehmigung davon aus, dass die zwölf Windräder weder die Schifffahrt noch die Umwelt gefährden. Das Plangebiet liegt abseits der Schifffahrtsstraßen. Dass ein Öltanker eines der Fundamente ramme und leck schlage, sei einmal in 112.000 Jahren zu erwarten, sagte BSH-Justitiar Christian Dahlke, bei einem Frachter einmal in 28.000 Jahren.

Die Planer hatten von ihren Auswahlmöglichkeiten als Pioniere Gebrauch gemacht und sich einen möglichst wenig konfliktträchtigen Standort gesucht. Das Seegebiet sei nach dem derzeitigen Kenntnisstand nicht „von herausragender Bedeutung für die belebte Umwelt“, so Procon. Aufgrund des großen Abstandes zur Küste werde der Tourismus nicht beeinträchtigt. Mit der Genehmigung auf 25 Jahre ist allerdings die Auflage verbunden, die Auswirkungen des Teilprojekts auf Fische, Vögel und Meeressäuger sowie auf das Wasser zu untersuchen. Der Antrag für die übrigen 196 Windräder ruht bis zur Vorlage der Ergebnisse.

Die Genehmigung der Stromtrasse durch das niedersächsische Wattenmeer steht noch aus. Mit Problemen rechnen die Planer hier nicht. Nach Auskunft von BSH-Präsident Peter Ehlers könnten jedoch künftige Trassen zusammengefasst werden, so dass nicht für jeden Windpark ein eigene Bresche durch den Nationalpark geschlagen werden muss.

Procon hat nach eigenen Angaben seit 1998 rund drei Millionen Mark an Planungskosten in das Projekt gesteckt. Für die Pilotphase rechnet Geschäftsführer Ingo de Buhr mit Investitionen von 250 bis 280 Millionen Mark. Der gesamte Windpark werde drei Milliarden Mark kosten. „Hier entsteht ein ganz neuer Wirtschaftsbereich“, konstatierte BSH-Präsident Ehlers. Zurzeit lägen dem BSH 21 Anträge für Windkraftanlagen in der Nordsee und sieben für die Ostsee vor. Er gehe allerdings davon aus, dass sich einige der 16 Antragsteller zunächst nur ein Gebiet sichern wollten, so Ehlers.

Die von Procon projektierten Anlagen stehen in 30 Meter tiefem Wasser. Sie haben eine Nabenhöhe von 90 Metern über dem Meeresspiegel, einen Rotordurchmesser von 110 bis 115 Metern. Bei einer installierten Leistung von 3,5 bis fünf Megawatt sollen sie jeweils 18 bis 20 Millionen Kilowattstunden im Jahr liefern. Damit könnte jede etwa 6.000 Vier-Personen-Haushalte versorgen.