Bau im Schatten der Frauenkirche

In Dresden wurde der erste Synagogen-Neubau in Ostdeutschland eingeweiht. Paul Spiegel findet zum Festakt harsche Worte über Fremdenfeindlichkeit in ganz Deutschland. Zur Vollfinanzierung fehlen dem Förderkreis noch zwei Millionen Mark

aus Dresden MICHAEL BARTSCH

Auf den Tag genau 63 Jahre nach der Zerstörung der Semper-Synagoge in der „Kristallnacht“ ist in Dresden wieder eine Synagoge eingeweiht worden. In einer feierlichen Zeremonie wurden die Thora-Rollen gestern eingehoben und zahlreiche Ansprachen gehalten, unter anderem von Sachsens Ministerpräsident Biedenkopf. Die Synagoge sei ein „Zeichen der Erinnerung“, das auch in die Zukunft weise.

Es ist der erste Neubau in den Beitrittsländern nach 1990. In Chemnitz wird bald ein weiterer folgen. Wiederherstellungen hat es nicht nur in Berlin gegeben. Auch zu DDR-Zeiten konnten kleinere jüdische Gotteshäuser wie beispielsweise in Erfurt errichtet werden. Paul Spiegel, Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland, konstatierte ein erstarktes jüdisches Leben, das vor allem Folge der Zuwanderung aus Osteuropa sei.

So wuchs beispielsweise die Dresdner Gemeinde von 61 Mitgliedern im Jahr 1989 auf jetzt fast 400. Sie musste sich bislang mit einem kleinen Gebäude am Rande eines Friedhofes begnügen. Auch deshalb hatte am 28. Oktober 1996 ein Förderkreis zum Neubau einer Synagoge aufgerufen. Die Initiative ging von Kirchenkreisen aus, maßgeblicher Motor war der unermüdliche Pfarrer Siegfried Reimann. Neben den praktischen Raumproblemen war dieser Aufruf auch vom Wiedergutmachungs- und dem Versöhnungsgedanken getragen.

Unterstützung fand das Vorhaben bei der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit, den Medien, Politik und anderer Prominenz. Doch der Aufruf förderte auch Wissenslücken und Vorurteile bei den Dresdnern zu Tage. „Sie können sich nicht vorstellen, was für antisemitische Anrufe bei uns eingehen“, sagte damals der Förderverein-Sprecher Jan Post.

Auch zur Weihe prangerte Paul Spiegel gestern die „besorgniserregenden Ausmaße“ an, die Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit in Ost- und Westdeutschland wieder erreicht hätten. Der von Kanzler Schröder erhoffte „Aufstand der Anständigen“ habe nicht alle erreicht. Namentlich erwähnte er den sächsischen Generalstaatsanwalt Jörg Schwalm, der kürzlich die Parole „Ruhm und Ehre der Waffen-SS“ als nicht strafbar erklärt hatte.

Der Spendenaufruf für die Synagoge stand allerdings im Schatten des triumphalistischen Wiederaufbaus der in Sichtweite aufragenden Frauenkirche. Nur 4,1 Millionen Mark konnten eingeworben werden. Der Freistaat und die Stadt gaben je acht Millionen Mark dazu. Zwei Millionen fehlen noch. Unschöne Begleiterscheiung des vor knapp eineinhalb Jahren begonnenen Baus ist der Insolvenzantrag des Generalauftragnehmers Nossen Stetzler GmbH.

Auf einen Kopiebau der 1838 von Gottfried Semper errichteten Synagoge wurde bewusst verzichtet. Fast am selben Standort in Elbnähe sind stattdessen nach Entwürfen des Architektenbüros Wandel, Hoefer und Lorch aus Saarbrücken zwei Sandstein-Kuben entstanden. Das fensterlose tempelartige Gotteshaus ist in sich leicht nach Osten gedreht. Gegenüber steht das teilverglaste Gemeindezentrum, das sich allen Dresdnern öffnen will. Die städtebauliche Einordnung dieses in sich schlüssigen Bauwerkes ist allerdings umstritten. Zur Grundsteinlegung im Juni 2000 hatte der Dresdner Gemeindevorsitzende Roman König an den gleichen Akt im Jahr 1938 erinnert. Auch damals war die Hoffnung auf eine „immerwährende Periode der Zusammenarbeit“ ausgedrückt worden.