Fahrtende Aladin

■ Sah ganz wie echt: aua: ein Autounfall, mit Verletzten, Blut und Polizei direkt vorm Aladin / Die Polizei hat das inszeniert, um Bremens Partylöwen anzusprechen

Die Polizei stellt vor dem „Aladin“ einen Unfall nach, Samstagabend kurz vor halb zwölf. Polizei, Feuerwehr, Krankenwagen, überall Menschen – und ein weißes Auto an einem Pfeiler. Die zerbrochene Windschutzscheibe liegt auf der zerdepperten Motorhaube. Ein junger Mann mit blutüberströmtem, entstellten Gesicht wird vom Rettungsdienst auf eine Liege geschnallt, die Fahrerin sitzt noch im Auto, überall ist Blut. Wer sich gerade eben noch auf einen lustigen, alkohol- und drogenschwangeren Discoabend im Aladin oder Tivoli gefreut hat, trägt erst mal einen gehörigen Schrecken davon.

Klar, wenn dann die jungen Polizei-Azubis ihre Flugblätter verteilen und erklären, dass das Ganze nur gestellt ist, fällt den meisten auch sofort auf, dass das Polizei- und Feuerwehraufgebot zu üppig ist, das Blut nicht rot genug und die vielen Journalisten viel zu schnell angekommen sind. Oder dass das Auto gar kein Nummernschild hat.

„Ich dachte zuerst, das wäre echt. Es sah schlimm aus, die Frau war in dem Auto drin, überall war Blut“, beschreibt Patrick Dreesmann, 14, die Situation, „ich habe erst gemerkt, dass es gestellt ist, als eine Polizistin kam und mir das erzählt hat.“ Doch auch nach der Aufklärung des Spektakels denken viele Passanten nicht daran, in die Disco zu gehen und einfach weiter zu feiern, als sei nichts gewesen. Zitternd vor Kälte stehen sie da, beobachten, wie die „Bergung“ der Insassen weitergeht und diskutieren mit den jungen Polizisten über das Risiko von Geschwindigkeit, Alkohol und Drogen – denn davor soll die Aktion die jungen Menschen warnen.

Christian Rudolph, der vor fünf Wochen sein Studium bei der Polizei begonnen hat, hat in Gesprächen die unterschiedlichsten Reaktionen erlebt: „Der eine sagte, das bringt nichts, ich fahr trotzdem bekifft – andere waren sehr betroffen und wollen in Zukunft wirklich aufpassen und Freunden, die Drogen genommen haben, den Autoschlüssel wegnehmen“, erzählt der Zwanzigjährige. Er ist überzeugt, dass die Aktion sich gelohnt hat. „Es ist klar, dass wir nicht jeden erreichen können, aber wenn wir nur einen einzigen Unfall verhindern, ist das schon was wert.“ Eine Passantin hat dagegen Zweifel, dass solche Aktionen überhaupt etwas bewirken. „Das wirkt vielleicht für kurze Zeit, aber bald ist das abgehakt und die Leute fahren wieder wie vorher“, meint sie.

Die Unfall-Aktion ist Teil des Verkehrsprojekts „Junge Fahrer“, mit dem die Bremer Polizei versuchen will, durch jugendgerechte Aufklärungsarbeit die Zahl der Unfälle in der Risikogruppe der 18- bis 24-Jährigen zu senken. In Schulen und Ausbildungsbetrieben wollen Polizisten Gespräche mit Jugendlichen initiieren, außerdem sollen Kontrollen an den Wegen zu Discotheken und anderen Veranstaltungsorten den jungen Fahrern die Freude am wilden Rasen nehmen. Es sei leider schwierig bis unmöglich, die Wirksamkeit von Prävention zu messen, erklärt Wolfgang Fingerhut von der Polizei Bremen, er habe aber bei seinen Besuchen in Schulen die Erfahrung gemacht, „dass das ankommt, auch wenn ich die Gefahren dort nur mit Worten und Fotos schildern kann.“

Die realistische Darstellung einer Unfallszenerie, wie sie am Samstag geschah, ist in Bremen ein Novum. In anderen Bundesländern wird diese Methode schon länger angewandt, meist mit positiven Erfahrungen, erzählt Fingerhut. Wenn bei der Nachbesprechung positive Eindrücke überwiegen, sollen derartige Aktionen auch in Bremen wiederholt werden.

Dass sich einen Tag vorher, in der Nacht von Freitag auf Samstag, tatsächlich ein schwerer Unfall ereignete, bei dem zwei Jugendliche im Alter von 16 und 17 Jahren verunglückten, zeigt, dass die Warnungen nicht aus der Luft gegriffen sind. Die beiden hatten sich Papas Auto „geliehen“ und eine kleine Spritztour gemacht, Alkohol war im Spiel, wahrscheinlich hatte der Fahrer Drogen konsumiert. An der Konrad-Adenauer-Allee endete die Fahrt vor einem Baum, der 17-jährige Fahrer erlitt lebensgefährliche Verletzungen.

Vivien Mast