Seufzende Susaphone

■ 1.400 MusikerInnen füllten die Stadt-halle – nur die Bremer blieben stumm

Es war ein Krachen und Scheppern, ein Blasen und Schmettern. Malträtiertes Messing ächzte aus allen Fugen und Klappen. Susaphone seufzten. Fanfarenzüge feierten fröhlich Urständ und Spielmänner spielten. All dies fügte sich gestern in der Bremer Stadthalle zu geordnetem Schalldruck, zu oft kunstvollen Kompositionen, interpretiert von 1.400 Menschen zwischen zwölf und 70, Männern wie Frauen, die allesamt Laien sind. Auf dem 7. Bremer Musikschau-Cup 2001 trafen sich 43 Spielmanns- und Fanfarenzüge, Blasorchester und Showbands.

Sie traten in sieben Kategorien an. Den Siegern winkt die Teilnahme an der „Musikschau der Nationen“ Ende Januar 2002 in Bremen zwischen amerikanischen, russischen und chinesischen Profi-Gruppen. 30 der 43 Kapellen nahmen zugleich an den 43. Niedersächsischen Landesmeisterschaften teil, die der Niedersächsische Musikverband (NMV) erstmals mit dem Cup zusammen veranstaltet hatte.

Der Musikschau-Cup war auch ein Fest der Farbpaare: hellblau mit quietsch-gelb, jägergrün mit grau dunkelblau und knallig-rot. Ein Augenschmaus war das allerdings nur dann, wenn sich der geneigte Besucher nicht an einem störte: an den Uniformen, die vielfach denen richtiger Armeen nachgebildet waren. Die Jacketts hatten Schulterklappen mit Rangabzeichen, Epauletten, blinkende Knöpfe und manchmal Ordensreihen, die Generäle alt aussehen ließen.

Die Orden gibt es aber nicht für Tapferkeit auf dem Feld der Ehre, sondern zur Erinnerung an die vielen Treffen mit anderen Blasmusikgruppen. „Musikkapellen entstanden aus einer militärischen Tradition heraus“, erklärt Stadthallen-Sprecher Matthias Höllings. „Wenn es sich um Bundeswehr-, Zoll-, Polizei- oder Feuerwehrkapellen handelt, ist die traditionelle Uniform sowieso selbstverständlich. Jüngere Kombos haben aber meistens Fantasieuniformen.“ So trägt der Fanfaren- und Hörnerzug „Elche“ Vorsfelde mittelalterlich anmutende Hemden. Im aufgenähten Wappen frohlockt eine Wildsau. Was sagen die Jüngeren zu den Uniformen? „Hier ist das total normal“, sagt Roman Herrmann, 17-jähriger Lyra-Spieler im Spielmannszug Lilienthal-Falkenberg. Sein Freund André Jeschke, Trommler, fügt hinzu: „Viele Jugendliche machen sich aber auch über uns lustig, wenn sie uns so sehen.“

Auch etliche Mädchen sind dabei. Die 13-jährige Annkatrin Ströh etwa macht schon seit acht Jahren im Lilienthaler Spielmannszug mit. Bei ihr kein Wunder – Vater Claus Ströh ist Mitorganisator. Doch wie ihre drei Freundinnen sagt sie: „Es macht einfach Spaß.“

Die vier kümmerten sich gestern zudem um das Merchandising, verkauften CDs und Videokassetten. „Man muss nur immer grinsen“, kommentiert die 15-jährige Stefanie Bellmann die Verkaufsstrategie. „Die vier tragen zum hellblauen Jackett quittengelbe Faltenröc-ke. „Die älteren Frauen wollen eigentlich lieber Hosen“, sagt Romina Ranke. „Aber wir finden die Röcke besser.“

Spielmannszüge integrieren. Ein Beispiel dafür ist Becher Ali. Seine Eltern stammen aus Jugoslawien. „Aus dem albanischen Teil irgendwo“, sagt er. „Tetovo oder so.“ Für ihn hat das keine besondere Bedeutung, denn seit 15 Jahren lebt der 17-Jährige in Lilienthal und trägt wie seine Kumpels die dunkelblaue Uniform.

Drinnen ist es indes ernst. Das Blasorchester Essen aus dem Südoldenburgischen spielt „Return to Ithaka“. Dieses erst drei Jahre alte, komplexe Stück des niederländischen Komponisten Kees Flaak zählt zur gehobenen Schwierigkeitsstufe. Am Ende der 15-minütigen Darbietung ernten sie viel Beifall der ungefähr 400 Zuhörer auf der Tribüne. Gruppen aus Bremen nahmen am Bremer Musikschau-Cup in diesem Jahr gar nicht teil. Die Bremerhavener und die Blumenthaler Kombo haben gestern den Karnevalsbeginn unterstützt. „Die wenigen Bremer Gruppen sind gerade stark im Umbruch“, weiß Höllings. „Und außerdem gibt es in Bremen auch nicht so viele Auftrittsmöglichkeiten.“ Hinzu kommt: Was auf dem Land auch für Jugendliche ein Stück Alltagskultur ist, findet der gemeine Städter oft fremd.

Die Uniformen lösen sogar Ablehnung aus. Wenn das Viertel also dereinst seinen groovenden Fanfarenzug auftstellte, so käme als einzig ziemliches Bekleidungsvorbild ein historisches Räuberzivil in Frage, nämlich das Wams des alten Anti-Hanse-Guerrilleros Klaus Störtebeker. Wappensymbol: roter Stern mit Pottwal. Und dann aber kräftig die Schalmei geblasen. Thomas Gebel

Fotos: Alexander Steffens