Spar-Lektionen für Berlin

Finanzsenatorin gibt den Ton an: SPD, FDP und Grüne prüfen drastische Einsparmöglichkeiten beim öffentlichen Dienst. Der Streit um betriebsbedingte Kündigungen wird am Samstag entschieden

von ROBIN ALEXANDER

Ohne sich schon auf konkrete Maßnahmen einigen zu können, haben SPD, FDP und Grüne sich am Sonntag auf enorme Einsparungen im öffentlichen Dienst festgelegt. Dissens besteht unter den um eine Koalition ringenden Verhandlungspartner insbesondere in der Frage, ob man betriebsbedingte Kündigungen auch weiterhin ausschließen kann. In einem Gespräch mit 32 Teilnehmern im Roten Rathaus trug Finanzsenatorin Christiane Krajewski zunächst in einem langen Vortrag die desolate Lage der öffentlichen Finanzen Berlins vor. Krajewski verwandte dabei Hamburg als Vergleich: Berlin liege bei Personalkosten, Investitionen und Zinszahlungen deutlich über den Vergleichsvariablen der Hansestadt. Diese Übung ist in erster Linie pädagogisch zu verstehen: Vor allem den bisher nicht im Parlament oder in Senatsverwaltungen aktiven Teilnehmern der Koalitionsverhandlungen solle „verdeutlicht werden, wie sich das Defizit für das kommende Jahr errechnet“, wurde dieses Verfahren von sozialdemokratischer Seite erläutert: „Das ist eine Art Nachhilfestunde für die FDPler“.

Nicht nur die Liberalen scheinen die Lektion verstanden zu haben. Bis zum Jahre 2006, dem Ende der kommenden Legislatur, sollen die Personalausgaben von nun 14,8 Milliarden auf 14 Milliarden oder sogar 13 Milliarden gesenkt werden. Die Sozialdemokraten hätten gerne schon gestern verbindliche Werte festgelegt. Von „Prüfaufträgen“ sprechen jetzt die Grünen, „zwei Szenarien“ nennen es die Verhandlungsteilnehmer von SPD und FDP. Die Facharbeitsgruppe Finanzen soll jedenfalls in der kommenden Woche konkrete Wege beschreiben, wie beide Varianten erreicht werden könnten. Wichtig ist dabei: Es handelt sich um Zahlen „zum Preis von 2006“, wie es Günter Rexrodt ausdrückte. Das heißt, eine inflations- und tarifbedingte Korrektur nach oben findet nicht statt.

Um diese Einsparungen zu erreichen, wollen SPD und FDP notfalls auch betriebsbedingte Kündigungen vornehmen. Die Grünen sträuben sich in diesem Punkt. Noch unmittelbar vor Beginn der Verhandlungen erklärte die grüne Verhandlungsführerin Sibyll Klotz, ihre Partei lehne dieses Instrument ab. Rexrodt betonte hingegen nach den Verhandlungen: „Wir müssen alle Mittel prüfen und auch einsetzen, um das Ziel beim Personalabbau zu erreichen“. Dieser Widerspruch harrt seiner Auflösung am nächsten Samstag.

Unklar blieb gestern auch, ob eine mögliche Ampelkoalition an dem bisherigen Sparziel des Senats festhalten wird: Bis 2009 soll demnach die Nettoneuverschuldung auf null abgesenkt werden. Die wirtschaftliche Rahmenentwicklung und die neuen Nachrichten aus der Bankgesellschaft lassen dieses Ziel jedoch immer unwahrscheinlicher erscheinen. Aufhorchen lässt zudem ein Radiostatement von Wowereit-Intimus Michael Müller. Der SPD-Fraktionschef erklärte, man werden „eventuell um eine kurzfristige Erhöhung der Nettokreditaufnahmen nicht herumkommen.“ Darüber sei in den Koalitionsverhandlungen nicht gesprochen worden, behauptete Parteichef Strieder anschließend: „Gestern ging es um die Ausgaben.“