JOSCHKA FISCHER LEHNT HENNING VOSCHERAU ALS EU-BEAUFTRAGTEN AB: Der Patriarch straft seine Kritiker
Henning Voscherau ist ein konservativer Sozialdemokrat. Man muss den Hamburger nicht mögen, seine politischen Auffassungen nicht teilen. Aber seine aufrechte Art verdient Respekt. Als die SPD bei der Hamburger Bürgerschaftswahl 1997 kräftig an Stimmen verlor, trat Voscherau ab. Er hatte sein Ziel verfehlt, dafür stand er ein. So verhielt sich Voscherau auch bei anderen Gelegenheiten. Als etwa die rot-grüne Bundesregierung den ersten deutschen Kriegseinsatz seit dem Zweiten Weltkrieg beschloss, hielt Voscherau dies für völkerrechtswidrig. Und das sagte er nicht nur in kleinen Zirkeln, sondern öffentlich. Das war seine Überzeugung, dafür stand er ein. Wenn die Informationen des Spiegel stimmen, muss er für diese selten gewordene Aufrichtigkeit jetzt zahlen. Denn Joschka Fischer hat verhindert, dass Voscherau Nachfolger Bodo Hombachs als EU-Balkan-Koordinator wird.
Fischers Vorgehen hat Methode: Als vor knapp einem Jahr der Posten der Ministerin für Verbraucherschutz zu besetzen war, durfte die mit Abstand qualifizierteste Person für diesen Posten nicht ins Bundeskabinett: Bärbel Höhn hatte aus Sicht Fischers einen dunklen Fleck im Lebenslauf, denn auch sie war gegen die deutsche Beteiligung am Kosovokrieg. Noch schlimmer: Sie hatte diese Position auf dem Bielefelder Kriegsparteitag der Grünen vorgetragen. Wenn nun Voscherau abserviert wird, ist das auch ein Signal an diejenigen, die es jetzt wagen, gegen die Ermächtigung zum Truppeneinsatz von Afghanistan bis nach Somalia zu stimmen. Die Botschaft ist deutlich: Wer mir in einer wichtigen Frage öffentlich widerspricht, der kann unter meiner Regentschaft nicht auf höhere Ämter hoffen. Der grüne Patriarch zeigt ein Demokratieverständnis, das nur mit dem von Helmut Kohl vergleichbar ist.
Wenn sich die Grünen, wie im Fall von Bärbel Höhn, solch eine Abstrafung gefallen lassen, ist das traurig für eine Partei, die einst demokratischer sein wollte als die anderen – ist aber zunächst einmal deren internes Problem. Wenn der grüne Außenminister jetzt aber sogar einen profilierten Sozialdemokraten für seine Haltung zu einem Kriegseinsatz abstrafen darf, betrifft das die gesamte Republik. ERIC CHAUVISTRÉ
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