Wunsch nach ein paar Hürden

Der Parteivorstand der Grünen will wenigstens die Zauderer vom Bundeswehreinsatz überzeugen. Doch diese fordern Nachbesserungen

aus Berlin PATRIK SCHWARZ

„Ich lebe mit meinem Dresdner Kreisverband in einer Art friedlicher Koexistenz“, sagt die grüne Bundestagsabgeordnete Antje Hermenau selbstironisch. Ihre Basisorganisation ist mehrheitlich links, „von mir kann man das nicht sagen“. Als der sächsische Landesparteitag am Wochenende eine Resolution gegen die Bereitstellung der Bundeswehr für den Krieg in Afghanistan beschloss, hatte Hermenau dagegengesprochen. Trotzdem wünscht sie sich Nachbesserungen am Antrag der Bundesregierung, über den der Bundestag am Donnerstag abstimmt. Dasselbe hat die Abgeordnete auch bei ihren Fraktionskollegen beobachtet: „Es gibt den Wunsch, dass man noch ein paar Hürden einzieht, die Kontrollfunktion haben.“

Parlamentarier wie Antje Hermenau sind es, um die die grüne Parteispitze bis gestern Nacht rang. Sie gelten noch nicht verloren in einer Situation, die für die Führung in Berlin zunehmend brenzlig wird. Elf Landesverbände haben sich bereits gegen die deutsche Kriegsbeteiligung ausgesprochen, acht grüne Bundestagsabgeordnete haben sich auf ein Nein am Donnerstag festgelegt (siehe Dokumentation). Kanzler Gerhard Schröder erklärte in einem Focus-Interview zwar salopp: „Landesparteitage gibt es viele, nicht nur bei den Grünen.“ Ihn interessiere vor allem eine eigene Mehrheit in der Koalition. Doch die ist mit den acht grünen Neinsagern bereits passé, selbst wenn wider Erwarten alle Sozialdemokraten mit ihrem Kanzler stimmen. Nach SPD-Fraktionschef Peter Struck und Generalsekretär Franz Müntefering hat auch Schröder selbst Abschied genommen von diesem Ziel: „Garantieren kann das niemand.“

Weil die Grünen die Partei der Konsensspezialisten sind, hat der Vorstand die Hoffnung nicht aufgegeben, wenigstens die Zaudernden ins Regierungslager zu ziehen. In einer Serie von Telefonaten am Samstag sowie einer improvisierten Dauersitzung ab Sonntagnachmittag werkelte das Gremium an einem Antrag für den heutigen Parteirat. Als entscheidend gilt dabei der Wunsch vieler Grüner, Ort, Dauer und genauen Zweck eines deutschen Einsatzes einzugrenzen. Erschwert wird die Konsenssuche dadurch, dass die Meinungsverschiedenheiten bei den Grünen bis ganz oben reichen: Während Parteichef Fritz Kuhn der Regierungsvorlage weitgehend zustimmt, wünscht die Kovorsitzende Claudia Roth Beschränkungen.

Große Sympathie findet in der grünen Fraktion etwa der Vorschlag von CDU/CSU, der Regierung nur für sechs statt zwölf Monate Handlungsfreiheit zuzusagen. Derzeit bangen Parlamentarier aller Fraktionen um ihren Einfluss auf den Kriegsverlauf. „Das verursacht das Hauptproblem, weniger die angeforderten militärischen Mittel“, meint etwa Hermenau, die von einem überwiegend defensiven Charakter der Bundeswehrunterstützung spricht. Das eigentliche Kunststück dürfte für die Tüftler im Parteivorstand darin bestehen, den Parteitag in zwei Wochen auf ihre Seite zu bringen. Ausdrücklich soll der für heute geplante Parteiratsantrag auch den Stürmen standhalten, die drohen, wenn in Rostock eine erzürnte Basis aus den Ländern auf die Bundespolitiker aus Berlin trifft. Was wäre schließlich gewonnen, spekulieren manche Grüne, wenn die Koalition die Abstimmung im Bundestag übersteht, aber die Doppelspitze Kuhn und Roth den Parteitag nicht?

Antje Hermenau will sich nicht festlegen: „Ich entscheide erst am Dienstag.“ Dann war der Kanzler in der grünen Fraktion zu Besuch.