Voll der Fun: Latein-News

■ Nuntii latini radiophonia Bremense in linea magnum gaudium sunt / Latin goes online: Radio Bremen präsentiert seit neuestem Nachrichten-Rückblicke auf Latein

Zunächst argwöhnt der kritische Observator einen medienpolitischen Brückenkopf des Vatikan: „Colin Powell, Civitatum Americae Unitarum minister rerum externarum, affirmavit Americam bellum Afganicum ante hiemem conficere velle.“ Tatsächlich kann dieser nuntius (Nachricht, aber auch: Gesandter) rückwirkend als US-amerikanische Kriegspropaganda abgetan werden: „Der amerikanische Außenminister erklärte, Amerika wolle den Krieg in Afghanistan noch vor dem Winter beenden.“ Inzwischen ist aber der hiems (Winter) eingebrochen. So werden wir uns jetzt fragen, ob der bellum Afganicum (afghanischer Krieg) in eine Pax Americana übergeht, oder ob der status quo ante (vorheriger Zustand) – welcher eigentlich?– wiederhergestellt wird.

Seit Anfang November können Leser diese und andere Nachrichten in der Sprache des Pontifex Maximus (des großen Zampanos) in Rom unter www.radiobremen.de/online/latein genießen. Die Idee stammt von einer Gruppe von Paukern und anderen, die seit einiger Zeit zum Behufe der Lateinpflege in der Vegesacker Strandlust convenieren (zusammenkommen). Sie versuchen, die Vokabeln der alten Römer auf neue Sachverhalte anzuwenden.

Auch ohne profunde Kenntnisse Ciceros vollzieht sich die Lektüre der Ergebnisse magno cum gaudio, ist also auf südostteutonisch eine Mordsgaudi. Ole von Beust von der Democratica Cristiana etwa firmiert als praefectus urbis Hamburgi designatus, ist aber jetzt nicht mehr nur designierter Oberbürgermeister, sondern veritabler Präfekt und somit collega von Klaus Wowereit (Berolino) und Sigmar Gabriel (Saxonia Inferior). In mari Barentico (in der Barentsee) versank ein navis subaquanea atomica namens Kursk, wohingegen ein collegium mercatorum, unsere Pfeffersäcke mithin, einen Ausbau der via autocinetica A1, der linea Hanseatica, fordern, und zwar mit sex curriculi (sechsspurig).

Wenn auf Lateinisch die Inbetriebnahme einer neuen Radiowelle in omnes partes Germaniae ad septentriones vergentes (ganz Südskandinavien) angezeigt wird, ist von radiophonia Nordwest die Rede. Das klingt, anders als die durchschnittliche Musikfarbe dieser Welle, fast wie symphonia in den Ohren.

Die Idee lateinischer Radionachrichten traf im richtigen Augenblick auf fruchtbare Ohren. RB-Redakteur Andreas Heib hatte bereits in der Prä-Online-Epoche, anno domini 1992/93 diese „spinnerte Idee“. Damals galt es als zu „elitär“, romanische Vokabeln über den Äther zu jagen. Doch Hilfe kam aus dem Universum in Gestalt des Internets. Heib landete den Latin Hype, als er nach Sender-internen Umwegen in die Online-Redaktion wechselte. Die nuntii latini fanden einen ihnen gebührenden Platz – unter einer Bedingung: Kostenneutralität. Die Lehrer um Kurt Hille bekommen für ihre translationes (Übersetzungen) keinen Pfennig. Die Überarbeitung macht Heib in seiner Freizeit. Denn natürlich trägt Nachrichtenredakteur Heib die redaktionelle Verantwortung: „Ich sorge dafür, dass kein schlechtes Latein geschrieben wird.“ Im Moment gibt es jeweils einen Nachrichtenrückblick zum Monatsende. Heib sucht daher News aus, die eher Überblickscharakter haben.

Die nuntii latini gingen binnen eines Tages um die Welt. FAZ, El Pais aus Spanien und Portafolio aus dem kolumbianischen Bogotá vermeldeten die noticias latinas stante pede (stehenden Fußes). Die lateinischen Nachrichten schlagen ein wie eine bomba. Legionen von Lateinlehrern urbe et orbe (in der Stadt und im Erdkreis) haben bereits affirmiert, die Nachrichten als Material im Unterricht nutzen zu wollen. Im Forum haben sich etliche Rezipienten in epistulae lectorum auscultorumque (Leser- und Hörerbriefe) positiv geäußert: auf Latein und Deutsch. Meckerer gab es anfangs nur unter den Finanzverantwortlichen des Senders. Sine dubito (zweifelsohne): Die nuntii latini werden die Bremer Moritz lehren.

Thomas Gebel