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Plutoniumschiff nimmt Kurs auf BHV

■ Während die Anti-AKW-Bewegung im Wendland sitzt, soll Plutonium per Autofähre aus Schottland nach Hanau rollen. Umschlagplatz der Transporte ist Bremerhaven

Noch diese Woche soll das Atommüllschiff „Arneb“ an einer Bremerhavener Kaje einlaufen. An Bord: zwei Dutzend Brennelemente mit gut einer viertel Tonne Plutonium darin, genug für 50 Atombomben. Es ist die erste von insgesamt vier Fahrten, mit denen bis Ende des Jahres hochradioaktiver Müll vom Atomkomplex Dounreay an der Nordküste Schottlands nach Hanau gebracht werden soll. Die „Arneb“ war bereits vor zehn Tagen von Bremerhaven aus nach Schottland in See gestochen. Angaben von Greenpeace zufolge war neben defekten Brennelementen auch der für den Plutoniumtransport aus Dounreay bestimmte LKW mit an Bord.

„Das ist eine normale Autofähre“, erregt sich Jörn Roggenkamp von der Bremerhavener Greenpeace-Gruppe über die „Arneb“. So eine Roll-on/Roll-off Fähre sei denkbar ungünstig zur Verschiffung von radioaktivem Material: „Das ist eine offene Badewanne.“ Zwar seien die Behälter, in denen das radioaktive Schwermetall transportiert wird, dafür ausgelegt, auch Temperaturen von 800 Grad eine halbe Stunde lang auszuhalten. „Aber gerade auf Schiffen sind eher Brände von einigen Stunden die Regel.“ Nicht ausmalen will Roggenkamp sich, was passieren könnte, wenn auch nur ein Bruchteil des hochgiftigen, extrem krebserregenden und hochradioaktiven Plutoniums bei einem solchen Brand oder bei einer Explosion fein verteilt würde.

Das will auch der Pressesprecher der Wasserschutzpolizei Bremerhaven lieber nicht tun. Diese ist für die sichere Fahrt in den Hafen und für das sichere Entladen zuständig. Die Beamten würden, kündigt Andreas Votres dafür an, das Atom-Boot auf der Weser „mit ihren Kräften sichern“ und im Hafen den Zugang zum Schiff kontrollieren: „Das ist gar kein Problem“. Einen unkontrollierten Zugang zum Schiff vor dessen Einfahrt in die Weser will auch er aber nicht ausschließen.

Immerhin: Es gibt Katastrophenschutzpläne. „Die Szenarien sind nicht so undenkbar, dass man das nicht schon mal durchgespielt hätte“, so Votres. Ob bei einem Brand oder einer Explosion des Schiffes im Hafen die Feuerwehr allerdings „zeitnah“ reagieren könne, weiß auch er nicht.

Für Rüdiger Staats, Sprecher beim Bremer Häfenressort, lautet die Strategie der Hafenbehörde im Hinblick auf Atomtransporte denn auch „zügig abwickeln“. Weil Bremen keine Möglichkeit habe, einen genehmigten Nukleartransport zu verhindern, will man in der Behörde in erster Linie dafür sorgen, dass die ungeliebte Fracht Bremerhaven so schnell wie möglich wieder verlässt. „Bremen macht keine Werbung für diese Transporte und verdient auch nichts daran“, betont er: „Diese Ladung kriegen wir vom Bundesamt für Strahlenschutz.“

Bremerhaven ist nicht erst seit neuestem Deutschlands Hauptumschlagplatz für strahlenden Müll. „Seit 1993 wurde hochradioaktives Material oder Plutonium ausschließlich in Bremerhaven verschifft“, behauptet Greenpeacer Roggenkamp. Er weiß von insgesamt 32 Transporten, die bis Oktober 1997 über die Seestadt liefen.

Die 82 Brennelemente, die in den nächsten Wochen von Schottland über Bremerhafen nach Hanau geschafft werden sollen, waren ursprünglich für den Schnellen Brüter in Kalkar bestimmt gewesen. Als das trinationale Brüter-Projekt 1991 beerdigt wurde, hatten die Betreiber für den radioaktiven Brennstoff keine Verwendung mehr und transportierten ihn zum Atomkomplex Dounreay. Dort sollte er zunächst gelagert und dann wiederaufgearbeitet werden. Inzwischen will die britische Regierung die Atomanlage im Norden Schottlands aber abreißen – das radioaktive Inventar muss wieder zurück.

Roggenkamp fühlt sich bestätigt: Greenpeace habe schon vor zehn Jahren die „unsinnige Atommüll-Verschieberei“ kritisiert. Weil der Essener Energiekonzern RWE Hauptanteilseigner des Brüter-Mülls ist, kommt dieser nach Deutschland. Die jetzt anstehenden Transporte bezeichnet Greenpeace aus diesem Grund als „hochgefährlich“ und „völligen Unsinn“. Die Umweltorganisation fordert: „Das Material soll in Dounreay bleiben, bis man weiß, was man damit macht.“ Armin Simon

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