Ausgereizte Bezirkskassen

Bald wird die Sparwelle auch die Bezirksämter erreichen. Doch dort ist schon längst Land unter. Gebäude können nicht mehr saniert werden. Der Kahlschlag kann nur noch Freie Träger treffen

von ADRIENNE WOLTERSDORF

„Einfach mal abwarten“, antwortet Monika Thiemen, zukünftige SPD-Bürgermeisterin von Charlottenburg-Wilmersdorf lakonisch. Tatsächlich ist das S-Wort, dass Berlin die nächsten Jahre beherrschen wird, für die Bezirksverwaltungen nicht neu. Obwohl die meisten Stadtverwaltungen schon jegliche Luft aus ihren Budgets gelassen haben, werden in den nächsten Wochen weiter gehende Sparbeschlüsse des Senats auf den Schreibtischen der 12 Bezirksämter landen. Klaus Wowereit, Regierender Bürgermeister der maroden Hauptstadt, kündigte am Montag Personaleinsparungen bis zu zwei Milliarden Mark an. Zudem erwartet die Stadt massive Steuerausfälle.

Eine Faktenlage, die die Verwaltungsbasis kaum hoffen lässt. Schon seit Jahren erhalten die Bezirke nur noch halb so viel Geld, wie sie tatsächlich brauchen. Für das Jahr 2002 werden die Mittel um exakt 53 Prozent des tatsächlichen Bedarfs gekürzt. Sparen, sagt Monika Thiemen, sei längst Alltag. Ihre Bauabteilung rechnete vor, dass in den kommenden zehn Jahren so gut wie keines der öffentlichen Gebäude in Charlottenburg-Wilmersdorf saniert werden kann.

Von den rund 80 Millionen Mark, die der Bezirk für die Instandhaltung seiner Schulen, Kitas, Jugendfreizeiteinrichtungen und Sportanlagen benötigen würde, stehen nach vorsichtigen Schätzungen höchstens noch zwei bis drei Millionen zur Verfügung. „Flickschusterei“ nennt das Thieme.

„Wir könne nur noch Havarien reparieren“, beschreibt es eine Finanzbeamtin aus dem Bezirksamt Treptow-Köpenick. Für die meisten Bezirke ist die „bauliche Unterhaltung“ der einzige Posten der so genannten „konsumtiven Ausgaben“, an dem überhaupt noch gekürzt werden kann. Die meisten anderen Bereiche seien „ausgeknautscht“, meint der Köpenicker Bezirkssprecher Hans-Rainer Harder. Auch im Südosten der Stadt sehe man die Lage sachlich. Die Sparliste des Senats gehe dort, wie überall, in die Bezirks- oder Stadtverordnetenversammlungen. Die Gremien müssen die Sparaufgaben dann erledigen. Widerspruch zwecklos.

In den letzten Jahren, so die Charlottenburger Bürgermeisterin, habe die Bauverwaltung das Geld zur Instandsetzung der öffentlichen Gebäude aus dem Verkauf des Tafelsilbers beziehen können. Seit Anfang 2001 gehen die Erlöse aus Grundstücksverkäufen allerdings direkt an den Liegenschaftsfonds des Landes. Die Bezirke stehen nun mit leeren Kassen da. Ärgerlich sei, dass der Liegenschaftsfonds bislang wenig aktiv war. „Da ist erschreckend wenig passiert“, meint Thieme.

Köpenicks Bezirksamtssprecher Harder bringt es sportlich auf den Punkt. Das Standbein könne man nicht umhauen, gekürzt werden müsse am Spielbein. Gemeint sind die „weichen Faktoren“ wie freie Träger, Kultur und Bildung sowie Jugendeinrichtungen. Genauer benennen will den Kahlschlag noch niemand. Die ersten Anzeichen des Geldmangels sind schon zu sehen. „Unsere Straßen sind nicht mehr sauber, an vielen Stellen und Ecken bröckelt etwas vor sich hin“, sagt Karin Rietz, Sprecherin des Bezirksamtes in Mitte. Hier werde täglich nicht mehr das „Ob“, sondern nur noch das „Wie“ diskutiert. „Das Tischtuch reicht hinten und vorne nicht“, beschreibt Rietz die Suche nach dem besten Sparmodell.