Cool to Kabul!

Bei einem Survival-Seminar für Kriegsreporter vor dem Afghanistan-Einsatz

Die Journalisten sollen in nur 14 Tagen fit gemacht werden für den großen Run auf Kabul

„Staub fressen, blutige Blasen an Händen und Füßen, ein aufgeschubberter Rücken – am Anfang war es schon etwas anstrengend, aber jetzt fühl ich mich richtig wohl!“ Armin, Mitarbeiter der Nürnberger Morgenpost, ist einer von 15 deutschen Journalisten, die auf der Kanaren-Insel La Palma schwitzen. Ihr Trainingsziel tragen sie ständig mit sich herum. Gedruckt in weißen Lettern auf den Rücken ihrer Camouflage-T-Shirts: „Cool to Kabul“.

Die Journalisten sollen innerhalb von 14 Tagen fit gemacht werden für den Tag X, an dem der große Run auf Kabul beginnt. „Wenn wir die Hauptstadt nehmen, will ich dabei sein – hoffentlich zusammen mit unseren deutschen Jungs!“, so der 44-jährige Armin voller Elan und voller Brieftasche: Die Kursgebühr beträgt umgerechnet 5.000 Mark.

Survival-Seminare für Kriegsreporter sind nicht neu. In ganz Europa werden Journalisten auf ihren Einsatz im Kampfgebiet vorbereitet – mit Übungen in Praxis und Theorie. So erhalten die Teilnehmer Unterricht in Psychologie. Beispielsweise lernen sie, in welcher Situation sie in Dürregebieten Dorfbewohner um ein wenig Zucker bitten dürfen. Zudem wird ihnen beigebracht, wann, wo und wie sie am besten in Deckung gehen, wenn sie plötzlich beschossen werden. Ebenso üben die Journalisten verschiedene Waffengattungen und Kalibergrößen zu erkennen.

Die in Madrid ansässige Firma „Ascensión“ will mehr sein als eine „Wochenendakademie für schusssichere Schreiberlinge“, wie es Carlos Mina ausdrückt. Der kräftige Endfünfziger mit dem weißen Bürstenhaar ist der erste Ausbilder des Unternehmens, das das „Cool to Kabul“-Programm anbietet. „Jack-Wolfskin-Reporter können wir nicht brauchen. Das sind anämische Blutwürste. Immer auf der Suche nach Toten. Aber wenn’s ans eigene Sterben geht, keinen Saft in den Knochen! Nein, wir nehmen die Leute richtig ran. Und zwar unter den Bedingungen, die sie auch in ihrem nächsten Einsatzgebiet erwarten!“ Und da ihr „nächstes Einsatzgebiet“ das winterliche Afghanistan sein wird, hat Mina als Trainingsgebiet für die Cool-to-Kabul-Lehrgänge eben La Palma ausgewählt. Mit ihren steilen, über 2.000 Meter hohen Gebirgszügen, den schroffen Felsen, einer stellenweise recht kargen Vegetation und häufig äußerst kalten Nebelbänken biete die Kanareninsel ideale Trainingsbedingungen.

Schon morgens vor dem Frühstück lässt Mina die 15 deutschen Journalisten eine 20 Kilometer lange Strecke joggen in Kleidung, die im Hindukusch eher unüblich ist: braune Bademäntel und Gummilatschen. „Zum Warmwerden reicht das!“, so Mina. Nach einem kleinen Becher mit in Schneeschmelzwasser aufgeweichter Hirse, der in Afghanistan typischen ersten und letzten Mahlzeit jedes Tages, geht’s hoch in die Caldera, das Kratergebiet von La Palma. Dort üben Minas „Schutzbefohlene“ in drei Kommandogruppen unterteilt über Brücken zu hangeln, sich einzugraben und mit der Kalaschnikow zu schießen; einhändig, weil sie mit der anderen Hand ihre Kamera „abfeuern“. Zwischendurch führt Mina mit den Kursteilnehmern kleinere Erste-Hilfe- Operationen durch, in deren Verlauf sie Wunden mit Schwarzpulver ausbrennen. Besonders beliebt ist das Nachmittagsprogramm: Das sieht das spielerische Erlernen von Folterungen vor, laut Mina die effektivste Art der Recherche.

Nachts dann muss immer ein Kommandomitglied Wache halten, während von den vier übrigen abwechselnd je zwei schlafen und zwei einander gegenseitig Paschtu-Vokabeln abfragen, damit sie am Tag X in Kabul nach dem Weg zur Hauptpost fragen können, um ihre Berichte in die Heimatredaktionen kabeln zu können. „Nur auf diese Weise werden das gute Journalisten!“, meint Mina, der weiß, wovon er spricht: Er selbst diente 20 Jahre lang als Söldner, unter anderem mit Peter Scholl-Latour in Algerien. Später wurde er Kongo-Korrespondent der Zeitschrift Combat, bevor er 1991, nach dem Golfkrieg, zusammen mit einem Vietnamveteranen „Ascensión“ gründete. Mehr als zehn Jahre nach der Gründung des Unternehmens geht das Konzept offenbar auf: Rund 300 Interessenten haben sich bereits für „Cool to Kabul“ angemeldet. Kein Wunder, dass das Angebot von „Ascensión“ bald noch um ein Programm ergänzt werden soll: Afghanistan für Journalistinnen – mit Schleierrecherche unter der Burka. BJÖRN BLASCHKE