DIE DEUTSCHEN AUFGABEN LIEGEN IN MAZEDONIEN, NICHT IN AFGHANISTAN
: Zu wenig Druck aus Berlin

Die ungelösten politischen Probleme in Mazedonien sind wieder in Gewalt umgeschlagen. Die Radikalen beider Seiten, der slawischen Bevölkerungsmehrheit und der Albaner, eskalieren die Lage. Die Provokationen passen in das Kalkül der extremen Nationalisten auf beiden Seiten. Der Friedensprozess und damit die unter deutscher Führung stehende Mission der internationalen Gemeinschaft drohen zu scheitern.

Die Entwicklung war abzusehen. Schon seit Wochen versuchten die Radikalen in den slawisch-mazedonischen Parteien wie in der mazedonischen Regierung, den Friedensprozess zu sabotieren. Die Abmachungen von Ohrid vom August, praktisch der Grundvertrag zwischen den Kontrahenten, wurden entgegen den Absprachen im Parlament nicht durchgesetzt, und das so wichtige Amnestiegesetz ist liegen geblieben. Gleichzeitig baute das Innenministerium seine Spezialtruppen aus, die jetzt gegen alle Abmachungen ohne internationale Begleitung in Albanerdörfer eindrangen und Leute verhafteten.

Die geheimnisumwobene Absplitterung AKSH könnte sich bei einer weiteren Eskalation leicht zu einem neuen Mantel entwickeln, in den die Kämpfer der aufgelösten UÇK hineinschlüpfen und den Zustand von vor den Friedensverhandlungen wieder herstellen. Und diesmal, so die Stimmung bei vielen Albanern in der Region Tetovo, „ohne Kompromiss“. Weil die internationale Gemeinschaft zu viele Rücksichten genommen und das Mandat wie den Umfang der Nato-Truppen im Lande schwach hielt, hat sich die internationale Gemeinschaft selbst zum Papiertiger degradiert, der von den Radikalen nicht mehr ernst genommen wird.

Das berührt vor allem die deutsche Politik. Denn mit dem Rückzug der US-Amerikaner und Briten aus Mazedonien liegt es ja an Deutschland als leitender Nation, den Friedensprozess zu führen. Die Bundesregierung will diese Rolle aber offensichtlich nicht annehmen. Auch nicht die Öffentlichkeit, die auf Afghanistan starrt und über die Militäreinsätze dort streitet. Wenn aber die Mission in Mazedonien scheitert, ist nicht nur die internationale Gemeinschaft diskreditiert, weil sie zur Friedensstiftung unfähig ist, sondern auch Deutschland, das jetzt dafür die Hauptverantwortung trägt. ERICH RATHFELDER