Bremen spart – nicht beim Deichschutz

■ In einer „großen Lösung“ übertrug der Senat den Hochwasserschutz den Deichverbänden – zu Preisen von 1996. Eine Reform, die auch ein wenig teurer werden dufte.

Eigentlich, so steht es in einer Übersicht der Umweltsenatorin, müssten für Unterhaltungs-Investitionen in den Hochwasser- und Deichschutz für Bremen im Jahre 2002 insgesamt 6,4 Millionen Mark ausgegeben oder wenigstens „zurückgelegt“ werden. Aber in den Eckwerten des Haushaltes ist das Geld nicht da, auch im Jahre 2003 nicht. Die Lösung: Bis zum Jahre 2005 wird kein Pfennig als Investitions-Rücklage eingeplant, Bremen „spart“ diese Gelder nur auf dem Papier. Ab dem Jahre 2006 muss das Geld mit sieben Prozent Verzinsung nachbezahlt werden, damit der Sanierungsstau beim Deichschutz nicht bedrohlich wird. Das ergibt zusammen mit der dann fälligen Summe allein für das Jahr 2006 stolze 11,8 Millionen Mark.

Aber woher kommt im Jahre 2006 der Geldsegen? Na ja, mögen die Finanzpolitiker denken, erstens muss man derzeit dafür noch nicht den Haushalt beschließen. Zweitens – wer weiß, wer dann regiert! Und drittens sollen Bremens Staatsfinanzen dann ja saniert sein.

Damit die Millionen-Investitionssummen ab 2006 wirklich bezahlt werden müssen, hat das Umweltressort die Aufgaben des Deichschutzes in einer „großen Lösung“ in diesem Jahr auf die Deichverbände übertragen, und die Deichverbände haben einen in einer „Stundungsvereinbarung“ vertraglich geregelten Rechtsanspruch auf das Geld. Da kann kein Finanzsenator im Jahre 2006 sagen: Wir haben nichts.

Nicht nur die Finanzierung der Investitionen ist so geregelt, auch die der laufenden Unterhaltungs-Kosten: 2,776 Millionen Mark bekommen die beiden Deichverbände allein für das Jahr 2002, die Summe steigt jedes Jahr um zwei Prozent. Und das ist vertraglich auf 99 Jahre den Deichverbänden zugesichert.

Der Personalrat rieb sich die Augen als er diese Summe sah: Werden doch im laufenden Jahr nur 1,7 Millionen Mark dafür ausgegeben! Immerhin wird die komplette Übertragung des Deichschutzes an die Deichverbände als Modell der Verwaltungsreform im Sinne der Roland-Berger-Unternehmensberater verstanden. Ziel sei die „wirtschaftlich optimierte Erhaltung von Gewässern und Hochwasserschutz-Anlagen“.

Aber was heißt „wirtschaftlich optimiert“, wenn es teurer wird? Es wird dennoch gespart, haben die Haushälter der Umweltbehörde dem Personalrat vorgerechnet. Denn angenommen, der Hochwasserschutz wäre zu den Kosten-Strukturen und mit dem Personalstand organisiert worden, der 1996 galt, dann würde es im Jahre 2002 – fortgeschrieben und hochgerechnet – sogar 3,49 Millionen Mark kos-ten. Einspareffekt gegenüber der Hochrechnung allein im Jahre 2002: 700.000 Mark.

Der Personalrat versteht die Welt nicht mehr. Denn wenn diese Betrachtung stimmt, dann wären ja alle bisherigen Rationalisierungs-Effekte falsch, fahrlässig und nicht zu verantworten gewesen. Im Vertrag mit den Deichverbänden wird der Personalstand und Kostenaufwand von 1996 zudem auf 99 Jahre mit einer zweiprozentigen Steiger-ungsrate fortgeschrieben – auch in Zukunft wird mit Rationalisierungseffekten also nicht mehr gerechnet.

Die Deichverbände haben dies „in langwierigen Verhandlungen“ herausgehandelt, heißt es in der Beschlussvorlage für den Senat. Das bedeutet: Während die Finanzpolitiker nach dem Motto „Nach uns die Sintflut“ zu handeln scheinen, ist der Deichschutz gegen die wirklichen Fluten jedenfalls mit einem Jahrhundert-Vertrag gut ausgestattet.

Der Personalrat hat nur die Sorge, dass die üppigen Ansprüche der Deichverbände dann über Kürzungen im Rest-Ressort zusammengekratzt werden müssen. Der Senat hat die Zustimmung des Personalrats gestern letztinstanzlich ersetzt. Ob damit die Überleitung des Personals auch vollständig gesichert ist, wird das Arbeitsgericht demnächst entscheiden müssen.

Klaus Wolschner