Mit einem Schluck sechs Euros

Eine Dose Hansa versus Streichhölzer aus Mahagoni: Der Berliner an sich hat seine ganz eigene Vorstellung von Luxus. Doch unsere Autorin auch

Wenn ich je so berühmt werden sollte, dass windige Boulevard-Journalisten meinen Müll durchwühlen, um aus zerfetzten Nylons, zusammengeknüllten Alufoliestückchen und verschimmelten Ziegenkäserinden Rückschlüsse auf mein Leben zu ziehen versuchen, dann würde ich diese Bluthunde mit leeren Austernschalen narren.

Ich würde einen Galeries-Lafayette-Austernverkäufer becircen (dafür hat der Franzos’ ja immer Zeit), damit er mir die ausgeschlürften Reste schenkt, und die Schalen in meinem Hinterhof-Container deponieren, vielleicht würde ich sogar noch extra ein paar ungeöffnete Meeresfrüchte dazulegen, oder ein paar echt aussehende Plastikperlen. Die Boulevard-Journalisten hätten einiges zu schreiben: „So lebt Luxusweib Jenni Zylka. Nach einem rauschenden Fest schmeißt das Luxusweib ungeöffnete Austern weg – Zylka: ‚Ich konnte einfach nicht mehr. Die Krustentiere und der Champagner kamen mir zu den Ohren raus.‘“

Wie lustig wäre das! Stattdessen liegt in meinem Luxusmüll heute eine leere Hansa-Pils-Dose. Bier soll ja angeblich so gut für die Haare sein, quasi der Rolls Royce beziehungsweise die Harley unter den Shampoos. Gestern nahm ich darum eine Dose Hansa Pils mit unter die Dusche, öffnete sie und schüttete mir etwas Bier über den Kopf. In meiner Dusche roch es sofort wie in meiner Stammkneipe. Außerdem war es recht kalt am Schädel.

Ich dachte kurz darüber nach, den Rest, so gemütlich unter der Brause stehend, gepflegt wegzusüppeln, aber Alkohol und Körperpflege gehen höchstens bei hochprozentigem Gesichtswasser (das arme, alkoholabhängige Navajoreservatsindianer übrigens als Cocktailersatz so lange zu trinken pflegen, bis sie blind werden) eine einigermaßen rühmliche Verbindung ein.

Schluss mit diesem Lebensmittel-Fehlbenutzungs-Luxus also. Nie wird man mich in Eselsmilch baden sehen, ich wüsste auch gar nicht, wie man eine so große Menge Milch warm bekommt – in meinen Milchtopf passt nur soviel, wie man auf zwei Tassen Cappucchino schäumen kann. Und wieviele traurige, kleine Eselbabies müssten durstig in den Stall trotten, nur, weil ich meine Reibeisenhaut weich bekommen möchte!

Kaffee ist jedoch ein Stichwort: Meine Freundin hat mir neulich einen Espresso aus Bohnen kredenzt, die nur an einem ganz besonderen, klitzekleinen Hang irgendwo auf Jamaica wachsen, allein eine einzige Bauernfamilie kennt und hütet das Geheimnis ihres Anbaus. Der Espresso schmeckte wirklich luxuriös. So, als ob man mit einem Schluck 12 heiße DM (sechs Euro) runterschluckt.

Wenn überhaupt, finde ich, sollte man Luxusausführungen von Dingen erstehen, die sich nicht unbedingt dafür anbieten. Wer will schon irgendso ein hässliches, neues Familienkombiauto, das in der Luxusvariante mit kleinen Bildschirmen für die Rücksitze ausgestattet ist, wenn das Auto schon in der normalen Ausführung unglaublich teuer und hässlich ist? Dagegen würde ich sofort Edelholzstreichhölzer kaufen, aus Mahagoni oder den Regenwaldindios unter dem Hintern weggeholzten Tropenbäumen. Auch von einer besonders talentierten jungen Seidenraupe selbstgesponnenes Klopapier erweckte mein Interesse.

Der Berliner hat eine ganz eigene Vorstellung von Luxus. Es ist auf gar keinen Fall die, die mit Eleganz und teueren Stilmöbeln zusammenhängt. Das sieht man, wenn man in das traurig vor sich hin pleitende „Stilwerk“ guckt, eine Ansammlung von Edeleinrichtungs- und Designläden auf vier Stockwerken unter einer Glaskuppel in Charlottenburg, die so zwar in Hamburg und Düsseldorf funktioniert, aber nicht in Berlin.

Das Stilwerk ist immer leer, denn der Ballina hat vielleicht mal kurz reingeschaut, jedoch das Prinzip mit den gläsernen Fahrstühlen (anstatt, wie er es gewohnt ist, schmuddeligen Rolltreppen) nicht verstanden, das mit den minimalistischen italienischen Super-Sideboards schon gar nicht, und ist gleich wieder rausgetapert, um einen Sixpack Schulle bei „Ulrich am Zoo“ im Angebot zu kaufen. Und danach ruft er in der U-Bahn entzückt aus: „Wat’ Luxus! N’ Sixpack Schulle und n’ janzer Waggon für mich alleene!“ JENNI ZYLKA