Der Clown, brav im Glas domestiziert

■ Bremser, die sich auch mal mit dem Publikum prügeln: P.M.E. auf Kampnagel

Am Anfang des Stückes En francais comme en anglais it's easy to criticize der kanadischen Theatergruppe P. M. E., jetzt auf Kampnagel zu sehen, singt Steve Malkmus im Loop There's no castration fear. Die Darsteller aus Montreal und Toronto betreten nach und nach die Bühne, manche beginnen zu tanzen, andere nur mitzuwippen. Irgendwann einmal hält jemand eine Clownpuppe in die Luft und bezeichnet sie als Kunst. Dann tritt jemand hinzu und steckt die Witzfigur in ein großes Glasgefäß, das er „Kritik“ nennt. Danach passiert wieder lange Zeit nichts, bis die Zuschauer langsam nervös werden, husten, sich beschweren.

Die meisten Aufführungen von P. M. E. enden in einem Eklat. Wie kann ein so schönes und entspanntes Stück einfach stocken, wo die Welt sich doch auch einfach weiterdreht? Die Herbeiführung eines Stillstandes oder die Weigerung zu arbeiten gehören nach wie vor zu den größten gesellschaftlichen Tabus, und so werden die Zuschauer langsam agressiver, nicht selten kommt es auch zu Prügeleien mit den Bremsern auf der Bühne.

In der Entwicklungsgeschichte der Bühnenavangarde kam es nach den kunstorientierten Performancejahren der 60er und 70er zu einer Textverweigerung, aus ideologischen Gründen. Die an der studentischen Revolte geschulten Regiseure und Künstler verabschiedeten sich vom Mief der etablierten Theatertexte und begannen vor allem in Bildern zu denken. Quereinsteiger aus der bildenden Kunst wie Robert Wilson, Jan Fabre und Jan Lauwers verpassten der verottenden Oberfläche des Theaters einen glänzenden Lack.

Die darauf folgende Generation wiederum verabscheut sogar das bewegte Innenraumdesign der damaligen Inhaltsverweigerer. Für die Bilderstürmer der Gegenwart gibt es keine Tabus wie Text, laute Musik oder nachlässiges Schauspiel. Sie bedienen sich bei allem, was die ernste und unterhaltende Kultur bereithält. Stefan Pucher zieht nach wie vor ein gutes Comic einem lauen Theaterabend vor, Gob Squad gehen lieber Platten kaufen, als sich ihre Hintern flachzusitzen, und Marthaler sieht man eher in Kneipen als in Foyers.

Doch trotz ihrer sehr stark abweichenden eigenen Theaterwelt sind sich Ikonoklasten in einem Punkt einig: Am lächerlichsten und veraltetsten sind stumpf auswendig gelernte Theatertexte. Es existiert keine Magie im Abspulen von festgeschriebenen Dialogfolgen. Es verhält sich wie beim gegenwärtigen Betrachten eines Zauberers. Niemand denkt doch ernsthaft bei einem durchgeführten Trick: „Oh mein Gott, wie magisch, erhebend und horizonterweiternd.“ Für Zauberzuschauer steht schon längst fest, dass es sich um einen Trick handelt, diese unausgesprochene Verabredung mit dem Magier ist klar. Viel mehr fragt und rätselt das Publikum, wie der Trick wohl funktionieren mag. Wo ist das versteckte Seil, wo der geschickt platzierte Spiegel?

Die Gruppe P.M.E. fasst die Ansätze der Bilderstürmer noch einmal zusammen. In ihrem Stück existieren Pop-Elemente von Gob Squad neben der charmanten Souveränität der Baktruppen. En francais comme en anglais it's easy to critizice ist noch mal so etwas wie die Quintessenz des Bilderstürmer- Festivals auf Kampnagel.

Ivo Andric

16.+17.11., 19.30 Uhr, Kampnagel (k1)