Polizisten, das sind die anderen

Türkischer Bund und Polizei werben um mehr Ausländer im öffentlichen Dienst. Doch die Eingangshürden sind hoch. Unter türkischstämmigen Jugendlichen hält sich die Begeisterung für die Beamtenlaufbahn in Grenzen

Birgit Veit hat es nicht leicht an diesem Nachmittag. In Uniform und mit Handschellen auf der Krawattennadel referiert sie vor türkischstämmigen Jugendlichen über die Berufsaussichten bei der Polizei. Die deutschen Sprachkenntnisse seien enorm wichtig, mahnt die Polizistin. Andererseits werden offenbar von den rund 50 Interessierten Vorkenntnisse in Polizeisprech erwartet: Veit doziert über die „SchuPo“, dass die „PDV 300“ beim Gesundheitstest berücksichtigt werden müsse und dass man am Tatort oft lange auf „VB 1“ wartet. In den Gesichtern der Zuhörer türmen sich die Fragezeichen.

Der „Türkische Bund Berlin-Brandenburg“ hatte am Dienstag zur Berufsinformation geladen, um mehr türkischstämmige Berliner für den öffentlichen Dienst zu begeistern. „Öffentliche Arbeit ist ein Merkmal der Integration“, meint Moderator Güray Kismir eingangs. Der TU-Student ist Vorsitzender des „Türkischen Wissenschafts- und Technologiezentrums“. Und auch die Berliner Polizei wirbt um die türkischstämmigen Jugendlichen. „Die Vielschichtigkeit in der Gesellschaft findet sich in unseren Reihen nicht wieder“, sagt Birgit Veit. „Wir können nicht nachvollziehen, warum sich so wenige ausländische Jugendliche bei uns bewerben.“ Die Einstellungsvoraussetzungen sind für alle dieselben: weiße Weste, was Vorstrafen angeht, gesundheitliche Fitness, Schwimmzeugnis und außerdem eine Reihe von Einstellungstests. Für nichtdeutsche Bewerber gilt nur eine Ausnahme: Der deutsche Pass muss erst am Ende der Ausbildung vorgelegt werden. Das sehen die meisten Interessenten nicht als Problem. Nur ob der Ausweis dann auch wirklich ausgestellt sei, möchte ein junger Türke wissen. Die Bearbeitungszeiten dauerten bekanntlich manchmal mehrere Jahre.

Die Grundstimmung im Publikum ist trotz aller demonstrierten Offenheit eher skeptisch. Nach einer kurzen Pause ist ein gutes Drittel der Interessierten verschwunden. „Vielleicht hat es bei denen ja mit der Körpergröße nicht gereicht“, feixt Kismir zweckoptimistisch. Die Bedenken drehen sich jedoch mehr um die geforderten Einstellungstests. Das Deutschdiktat bereitet vielen Kopfzerbrechen. Und die Allgemeinwissenstests: „Man sollte da schon das Geburtsdatum von einem deutschen Dichter wissen“, sagt Birgit Veit. Stöhnen in den Stuhlreihen. Auch in der Fragerunde dreht sich vieles um die Tests. „Wenn ich in irgendeiner Sportart deutscher Meister bin, hab ich dann Vorteile bei den anderen Tests?“, möchte eine skeptische Fragerin wissen. Unter Umständen, meint Birgit Veit. „Wie viele Türkischstämmige haben Sie in der Ausbildung?“, fragt eine andere. „Zwei aktuell“, sagt Birgit Veit und erntet Gelächter. Sie präsentiert die Zahlen aus dem Jahr 2000: Von 128 ausländischen Bewerbern für den mittleren Dienst sei eine Frau genommen worden. Erst dann wird ihr die negative Wirkung ihrer Worte klar: „Aber die Zahlen sind ja abschreckend“, ruft Birgit Veit etwas hilflos, „wir wollen euch doch haben!“

Kismir kennt die Bedenken nur zu gut. „Die Polizei, das sind die anderen, das ist Deutschland“, erklärt er. Die Ausbildungszahlen findet auch er „eher erschreckend“. Aber er möchte Mut machen; Berlin brauche Türken in der Polizei. Deswegen streitet er sich auch mit einem Zuhörer, der generell schlechtere Berufschancen für Ausländer in Deutschland sieht, weil sie im Bildungssystem benachteiligt würden. Das sei für Nichtdeutsche nicht unbedingt geschaffen, räumt Kismir ein. Aber bei den Einstellungstests herrsche der Gleichheitsgrundsatz für alle Bewerber; man könne es schaffen.

Dass Ausländer, wie es die Werbung verspricht, „die besten Aussichten auf eine Karriere bei der Berliner Polizei hätten“, glauben die meisten Zuhörer wahrscheinlich doch nicht. Einige wollen es trotzdem versuchen, die 15-jährige Nürgül z. B. als Polizistin. „Wenn ich es in diesem Jahr nicht schaffe, dann vielleicht im nächsten“, meint sie zuversichtlich. „Wir haben nur einen in der Familie, der einen vernünftigen Job hat“, sagt sie. Und Ümit, der 20 ist und das Gymnasium abgebrochen hat, sagt: „Ich will Beamter werden, ist mir egal, wo. Da kann man nicht gekündigt werden.“ MICHAEL DRAEKE