Knacksen, rauschen, piepsen

Abgehört! Wie man als pakistanisch-indischer Westfale in die Rasterfahndung gerät

„Wir begrüßen ganz herzlich die Mitarbeiter vom BND, die sich später zugeschaltet haben“

Das Einzige, was mir zur Tarnung bleibt, ist der schonungslose Gang an die Öffentlichkeit. Hier im Dunkeln will ich versuchen zu rekapitulieren, wie ich in diese Situation hineingeschlittert bin.

Es ist die klassische Geschichte vom Aufstieg und Fall eines einst so hoffnungsvollen Nachwuchsausländers. Als pakistanisch-indischer Westfale mit islamischer Grundausbildung und deutschem Pass wusste ich sehr früh die Vorzüge des naiven Wesens der Deutschen für mich zu nutzen. Quasi als Prototyp des integrierten Ausländers mit guter Kinderstube, akzentfreier Sprache und der bemerkenswerten Fähigkeit, als Dunkelhäutiger auch mal so richtig über Türkenwitze lachen zu können, war alles in der besten aller Welten zum Guten für mich bestellt. Ein anschließendes naturwissenschaftliches Studium sollte mich in den Olymp einer freiheitlich-demokratischen Gesellschaftsordnung katapultieren, in der man schon immer die hübscheren Frauen für ein amouröses Abenteuer gewinnen konnte, weil man der Mär des „Pakistanis do it better“ Vorschub leistete.

Doch dann kam dieser verdammte 11. September, und die Dinge begannen sich zum Schlechten zu wandeln. Denn ich wurde gerastert! Zu Beginn war es eher belustigend, wie dilettantisch die Mitarbeiter des BND ihre Abhöraktion einleiteten. Von einem derart lauten Knacksen, Rauschen, Piepsen, Klickern und Klackern wurde jedes Gespräch begleitet, dass man sich wundern durfte, nach Abheben des Hörers nicht auch noch persönlich vom Dienst habenden Offizier begrüßt zu werden. Hätte ich gewusst, wie diese Sache endet – ich kann Ihnen sagen, ich hätte mir den ein oder anderen Kommentar verkniffen: „Wir begrüßen auch ganz herzlich die Mitarbeiter vom BND, die sich später zugeschaltet haben.“

Auch der obligate Schlusssatz meiner vorlauten Schwester („So, ich muss jetzt wieder bombardieren gehen“) wird nicht eben zur Entspannung der Situation beigetragen haben. Der wahre Grund meines Problems ist jedoch am ehesten bei mir selbst zu suchen. Denn mit fortwährendem Abhören kam die Paranoia. Was geschieht eigentlich mit den Informationen, die diese Schnüffler von mir bekommen? Erzählt möglicherweise eine frustrierte BND-Schlampe meiner Lebensgefährtin, dass ich bisweilen 01 90-Nummern anrufe, um es mir so richtig besorgen zu lassen? Weiß meine Affäre im Gegenzug bereits, dass ich eine Freundin habe und nicht Amir heiße? Oder wird meinem Umfeld unauffällig mitgeteilt, dass meine besten Freunde den ersten WTC-Witz schon 24 Stunden später zu erzählen wussten? Habe ich mich verraten, als ich meine Kollegen warnte: „Geht nicht zur Party, die is’ la(h)m!“? Ich hätte mich besser nicht mit dem automatischen E-Mail-Scanner des FBI anlegen sollen und Wörter wie „Islum“, „Johannes bin Speidel“, „Alloah“ oder „AGFAnistan“ vermeiden sollen, um zu schauen, ob das System auch auf originelle Orthografie prüft.

Zunächst habe ich aufgehört zu telefonieren. Um sicher nicht verdächtig zu sein, hob ich circa 20.000 Mark von meinem Konto ab, um keinerlei verdächtige Summen aufweisen zu können. Ein Fehler, wie sich herausstellen sollte, denn aufgrund einer Unterdeckung von circa 20.000 Mark wurde tags darauf mein Konto gesperrt.

Nun graut der Morgen, es erwartet mich mein Richter. Und der wird richten. Worüber? Er wird urteilen darüber, wie sinnvoll es war, nachts in eine Videothek einzubrechen, um verzweifelt zu versuchen, Beweise aus dem dortigen Computer zu vernichten. Hatte ich doch einige verdächtige Filme ausgeliehen: „Der Schläfer“ und „Staatsfeind Nr. 1“. HAROON AHMAD