Texte ohne Label

„Balkan“-Wochenende mit Schauspielhaus-Gastautor Dejan Dukovski  ■ Von Annette Stiekele

Schreibspielhaus Hamburg. Auch in dieser Spielzeit setzt das Schauspielhaus mit seinem Schreibtheaterprojekt auf viel versprechende Autoren aus der internationalen Theaterszene. Wieder haben drei von ihnen die Schauspielhauswohnung in St. Georg bezogen und schieben sozusagen Manuskriptseiten gegen Essen unter der Tür durch. Diesmal sind es der Italiener Gian Maria Cervo, der Mazedonier Dejan Dukovski und Roland Schimmelpfennig, der hierzulande gerade an mehreren Bühnen entdeckt wird. Jedem von ihnen ist ein Wochenende gewidmet, in dem es um ein neues Stück und die jeweilige Region geht.

Den Anfang macht der Mazedonier Dejan Dukovski, Jahrgang 1969, der in Skopje Film und Drehbuch lehrt. In Deutschland ist er schon relativ bekannt durch sein international erfolgreiches Stück Das Pulverfass, in dem er versucht, dem Grauen des Krieges eine künstlerische Form zu geben. Es war das erste mazedonische Stück, das am Nationaltheater Belgrad aufgeführt wurde. Die Verfilmung von Goran Paskaljevic erhielt 1998 den Kritikerpreis in Venedig. In Hamburg gastierte Das Pulverfass in der Inszenierung von Dimiter Gotscheff in der vergangenen Spielzeit am Thalia Theater. „Ich versuche Wege zu ebnen für Autoren, die in ihrem Land schon eine klare Stellung haben und international durchstarten“, erläutert Dramaturg Andreas Beck sein Projekt. Er möchte sie ermutigen, sich an große Stoffe zu wagen.

Mit einer szenischen Lesung im Neuen Cinema wird das Balkan-Wochenende vom 17. bis zum 18. November eröffnet. Balkan is not dead/ Gute Nachrichten vom Balkan lautet der bitter ironische Titel von Dukovskis bereits vor acht Jahren geschriebenem Stück. Und die gute Nachricht lautet: Wir leben noch. Dazu Andreas Beck: „Wir stellen jeden Autor bewusst mit einer etwas trockenen Lesung vor, um die literarische Qualität zu betonen und den Hintergrund des Landes vorzustellen.“ Dukovski erzählt darin frei nach der Mazedonischen Bluthochzeit von Voydan Chernodrinski eine Liebesgeschichte in Zeiten bewegter politischer Verhältnisse. Er bedient sich einiger real existierender historischer Figuren wie Kemal Atatürk, des ersten Präsidenten der Türkei, der die Ottomanen besiegt hat. Das Auseinanderfallen des Reiches vollzieht sich langsam, ähnlich dem Konflikt in Ex-Jugoslawien. Der muslimische Herrscher Osman entführt Zveta, die den Rebellen Spasse liebt und gezwungen werden soll, ihrer Religion abzuschwören. Ihre Antwort: „Wenn's sein muss, sterbe ich, aber billig verkaufe ich mich nicht.“ Parallel erzählt Dukovski vier weitere Liebesbeziehungen wie die von Eleni Karinte, die von Kemal Atatürk feurige Briefe erhält.

Im zweiten Teil wird Dukovski am 17. November den Film Das Pulverfass zeigen, der in zehn lose verknüpften Episoden heitere und dramatische Geschichten vom Balkan erzählt. Am 18. November stellt Dukovski unter dem Stichwort „Balkan“ fünf zeitgenössische Theaterautoren aus seiner Heimat in kurzen Textausschnitten dem Publikum im Malersaal vor. Vorgesehen sind Texte von Dusan Jovanovic, Dusan Kovacevic, Kole Casule, Goran Stefanovski, Jordan Plevnes und Rusomir Bogdanovski. Dazu Andreas Beck: „Das ist fast schon eine dramaturgische Leistung des Autors, der den Abend bestimmt.“ Zum Erfolg seines Projektes gibt sich Beck heiter ironisch: „Ich habe begriffen, dass wir in einer Kaufmannsstadt leben, und wir verbuchen hier ein Plus. Denn wenn wir eines dieser Stücke als Uraufführung kaufen würden, müssten wir den gleichen Betrag hinlegen.“ Gleichzeitig klagt er über die verhaltene Risikofreude der Hamburger: „Man ist wenig auf Entdeckung aus und guckt genau auf Labels. Wenn man mit einem Label zurückkommt, wird man umso mehr hofiert. Insofern ist das Projekt eine echte Herausforderung für diese Stadt, weil man hier Leute entdecken muss, bevor sie Labels sind.“

Balkan is not dead: 17.11., 20 Uhr, Neues CinemaDas Pulverfass (Film): 17.11., 22.30 Uhr, Neues CinemaBalkan (Präsentation zeitgenössischer Theaterautoren: 18.11., 20 Uhr, Malersaaal