Bis die Stadt quietscht

Die Ampel debattiert drastische Sparvorschläge. FDP will öffentlichen Dienst länger arbeiten lassen. Grüne legen 80-Punkte-Katalog vor. Strieder will 3 Milliarden vom Bund. CDU und PDS stöhnen

von RICHARD ROTHER

Zwei Tage lang rauchten die Köpfe der künftigen Koalitionäre, und schon am Samstag soll es weiter gehen. Das Thema: „Sparen, bis die Stadt quietscht“, wie es der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) prosaisch formulierte. Die Vorschläge, die die SPD-, FDP- und Grünen-Vertretern gestern diskutierten, haben es in sich.

Innensenator Erhart Körting (SPD) will dem Vernehmen nach rund 14.000 Stellen im öffentlichen Dienst einsparen, die Hälfte davon im Bildungsbereich (siehe Seite 21). Die Zahl der Stellenstreichungen im Bildungsbereich wäre damit sogar höher als bei der Verwirklichung eines Vorschlags, der auf der kürzlich bekannte gewordenen genannten Giftliste aus dem Hause von Finanzsenatorin Christiane Krajewski (SPD) gemacht worden war.

Die FDP fordert eine Erhöhung der wöchentlichen Arbeitszeit im öffentlichen Dienst auf 41,5 Stunden. Zwei Milliarden Mark sollen nach Ansicht der Liberalen im öffentlichen Dienst gespart werden. Prinzipiell sind sich die Parteien lediglich darin einig, die Zahl der Schulstunden und der Polizisten auf der Straße in etwa konstant zu halten.

Die Grünen legten einen 80-Punkte-Sparkatalog vor, an dem sich nun die Koalitionspartner in spe abarbeiten. Dazu gehören die Auflösung des freiwilligen Polizeidienstes, die Streichung von 1.100 Stellen im Landespolizieverwaltungsamt und die Schließung der Verwaltungsdruckerei. Darüber hinaus fordern die Grünen die Privatisierung des Sport- und Erholungszentrums (SEZ) und die Einstellung des Sportinformationsdienstes. Wegen des Rückgangs der Schülerzahlen sollen nach den Vorstellungen der Grünen 1.500 Lehrerstellen wegfallen. Weiter wollen die Grünen die Stadtplanungsabteilungen nach Abschluss der großen Bauprojekte reduzieren, eines von drei Krematorien schließen, die Messegesellschaft privatisieren und die städtischen Kitas freien Trägern zuschanzen. Wieviel Geld anhand der 80 Punkte gespart werden könnte, haben die Grünen noch nicht errechnet.

Die künftigen Oppositionsparteien CDU und PDS kritisierten die kursierenden Sparpläne gestern scharf. Mit der beabsichtigten Arbeitszeitverlängerung im öffentlichen Dienst plane die FDP einen „demonstrativen Vertragsbruch“, sagte der PDS-Haushaltsexperte Marian Krüger. Da die Arbeitszeiten tarifvertraglich geregelt seien, könne der Senat diese nicht einfach erhöhen. Die FDP brüskiere die Personalräte und die Gewerkschaften, so Krüger weiter. „Durch diese kurzsichtige Politik wird die soziale Basis einer verantwortlichen Politik der Haushaltskonsolidierung für die ganze Stadt zur Disposition gestellt.“

CDU-Fraktionsgeschäftsführer Nicolas Zimmer bezeichnete die finanzpolitischen Vorstellunge der Ampel-Partner als konzeptionslos. Diese begrüben die Zukunftsfähigkeit Berlins. Die Streichung verhältnismäßig kleiner Summen für die Max-Planck-Institute und die Deutsche Forschungsgesellschaft verschlechterten im Technologiebereich die Perspektiven des Standortes Berlins. Zudem habe Finanzsenatorin Christiane Krajewski die bisherigen Aktivitäten zur Vermögensveräußerung eingestellt.

Als „politisch bisher nicht gewichtet“ bezeichnete indes die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung eine Liste mit Finanzwünschen von Senator Peter Strieder (SPD) an den Bund in Höhe von drei Milliarden Mark (1,53 Milliarden Euro). Darin sind insgesamt 41 Projekte genannt, die dem Bund gegenüber als Sonderlasten geltend gemacht werden könnten.

Der mit knapp 2,5 Milliarden Mark größte Posten ist die seit langem umstrittene Wohnungsbauförderung im Westberliner sozialen Wohnungbau. „Wir haben ein Anspruch auf Hilfe“, heißt es in der Vewaltung. Darüber hinaus geht es um die Erstattung bereits ausgegebener Mittel zur Alt- und Plattenbausanierung in Ostberlin. Offiziell sind diese Geldwünsche aus dem Hause Strieders allerdings noch nicht. Die Liste sei ein erstes, internes Arbeitspapier ohne politische Schwerpunktsetzung, erklärte Strieders Sprecherin Petra Reetz.