Hilfe für Opfer

SPD, FDP und Grüne wollen die Regierung zum Einsatz für die Insassen der Colonia Dignidad in Chile verpflichten

BERLIN taz ■ Angesichts der politischen Großwetterlage weitgehend unbemerkt ist gestern ein überfraktioneller Antrag von SPD, Grünen und FDP in den Bundestag (Drucksache 14/7444) einbracht worden, mit dem die Bundesregierung aufgefordert werden soll, sich endlich aktiv um das Schicksal der rund 350 Bewohner der berüchtigten Colonia Dignidad (Kolonie der Würde) in Südchile zu bemühen.

Der Colonia, 1961 vom in Deutschland wegen sexuellen Missbrauchs minderjähriger Jungen gesuchten Baptistenprediger Paul Schäfer in Chile gegründet, wird seit vielen Jahren vorgeworfen, ihre Bewohner zu demütigen, zu entmündigen und auszubeuten. Der Komplex hat während der Militärdiktatur auch dem chilenischen Geheimdienst Dina gedient – in der hermetisch von der Außenwelt abgeschlossenen Kolonie wurden politische Gefangene gefoltert und vermutlich auch getötet.

Gleichwohl hatte die Kolonie über viele Jahre auch die Unterstützung der deutschen Botschaft in Chile, die sogar Handel mit der Kolonie trieb. Einem deutschen „Freundeskreis Colonia Dignidad“ gehörten auch CDU-Politiker an, und CSU-Chef Franz Josef Strauß galt als aktiver Förderer der Colonia. Die Bundesregierung betrachtete die Colonia als chilenisches Problem und äußerte Vertrauen in die chilenische Justiz. Bei der Staatsanwaltschaft Bonn anhängige Verfahren wurden nie verfolgt.

Mit dem Antrag, der maßgeblich vom SPD-Abgeordneten Lothar Mark – mit Unterstützung des Hamburger Vereins „Flügelschlag“ des ehemaligen Koloniebewohners Wolfgang Kneese – ausgearbeitet wurde, soll die Bundesregierung jetzt aufgefordert werden, Druck auf die chilenischen Behörden auszuüben, die Entsendung von BKA-Experten nach Chile anzubieten und einen Fonds zur Reintegration ausreisewilliger Koloniebewohner einzurichten.

BERND PICKERT