Truppe soll Hilfskonvois schützen

Humanitäre Hilfe für die rund 5,5 Millionen Not leidenden Menschen in Afghanistan scheint der UNO derzeit nur mit militärischer Unterstützung möglich

von DOMINIC JOHNSON

Es mutet an wie die glücklose Militärintervention von USA und UNO 1992-93 in Somalia. Die neuesten internationalen Überlegungen, eine internationale Truppe nach Afghanistan zu schicken, basieren jedenfalls auf denselben Prämissen: Die Sicherheitslage sei schlecht, und die humanitären Bedürfnisse der Bevölkerung seien zu dringend, um auf Frieden zu warten.

Bis zu 5,5 Millionen Menschen in Afghanistan – ein Viertel der Bevölkerung – sind nach UN-Schätzung auf humanitäre Hilfe angewiesen. Das Problem ist nun nicht mehr, dass zuwenig davon ins Land kommt. Seit Anfang November erfüllt die UNO ihre Ziele: So liegt die Planzahl des UN-Welternährungsprogramms WFP für ganz Afghanistan bei 52.000 Tonnen Lebensmitteln im Monat; zwischen dem 15. Oktober und 13. November lieferte das WFP 51.000 Tonnen ins Land.

Aber 80 Prozent der gesamten Afghanistanhilfe kommt aus Pakistan über die afghanische Südgrenze. Wichtige Zielgebiete jenseits der zentralafghanischen Gebirge, die im Winter unpassierbar sind, bleiben unerreichbar. Die WFP-Planziffer für Nordafghanistan beträgt 17.000 Tonnen monatlich; diesen Monat kamen bisher 2.000 Tonnen per Luftbrücke aus Turkmenistan.

Im Süden gibt es zuviel – im Norden zuwenig. Der wichtigste brauchbare Grenzübergang an der afghanischen Nordgrenze liegt bei der usbekischen Stadt Termes. Am Mittwoch überquerte ein erster UN-Konvoi mit 200 Tonnen Mehl bei Termes den Grenzfluss. Weil er zu spät losfuhr, musste er wieder umdrehen und konnte erst heute die Reise erfolgreich wiederholen.

Auf der afghanischen Seite dieses Nadelöhrs ist die Sicherheitslage schlecht. Seit der Einnahme der nordafghanischen Stadt Masar-i Scharif durch die Nordallianz, sind die dortigen Büros des WFP und des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR geplündert worden. Am Mittwoch stoppten beide Organisationen dort ihre Arbeit. „Man hat gesehen, dass Kommandeure der Nordallianz in UN-Fahrzeugen herumfahren“, so UN-Sprecherin Stephanie Bunkers.

Bei einer internationalen Militäroperation im Norden Afghanistans würde es, sagten UN-Vertreter am Mittwoch, um den Aufbau eines „Korridors der humanitären Hilfe“ gehen. Die Flussüberquerung von Termes soll laut WFP „ein wichtiger humanitärer Korridor nach Nordafghanistan hinein werden, wo es schätzungsweise drei Millionen hungrige Menschen gibt“.

Doch die Erfahrung von Somalia lehrt: „Humanitäre“ Militäreinsätze gefährden die Neutralität von Helfern, können lokale Konflikte anheizen und kosten ein Vielfaches des Hilfsbedarfs. Auch heute in Afghanistan wächst Kritik an der UNO. Eine Gruppe fünf französischer Hilfswerke protestierte am Mittwoch, ihre Vertreter seien vom ersten UN-Hilfskonvoi aus Termes ausgeschlossen worden. An ihrer Stelle habe die UNO 17 Journalisten mitgenommen. „Eine humanitäre Hilfsoperation in ein Medienereignis zu verwandeln“, so die Hilfswerke, „ist inakzeptabel“.