Die Angst vor der Leere

Unerkannt abhängig: Hinter mancher erfolgreichen Frau steckt eine Sucht. Und manch einer kann nicht ohne Arbeit  ■ Von Sandra Wilsdorf

Im Büro läuft ohne ihn gar nichts, er macht Überstunden, nimmt Arbeit mit nach Hause. Eben erfolgreich. Im Urlaub bezwingt er hohe Berge. Naja, die Wochenenden, die hat er immer seltener frei, aber das gehört dazu.

Wenn sich alles nur noch um die Arbeit dreht, geht es vielleicht nicht mehr ohne: Es könnte Arbeitssucht sein, doch selten wird es so genannt. Denn sie geht mit gesellschaftlicher Bewunderung einher, und wer nennt Erfolg eine Krankheit? „Es gibt Symptome von Stress und Burn-Out“, sagt Angelika Nette vom Büro für Suchtprävention der Hamburgischen Landesstelle gegen die Suchtgefahren. Wenn jemand Kreislaufprobleme oder Herzrasen hat, weder schlafen noch abschalten kann, zwanghaft arbeitet und gehetzt ist, seine Hobbys vernachlässigt und sich isoliert, könnte es Arbeitssucht sein. Kommt es zu einer Therapie, müssen diese Menschen lernen, freie Zeit wieder zu genießen, zu gammeln und sich auch über Dinge freuen zu können, die nichts mit Arbeit und Leistung zu tun haben.

Ebenso wie die Sucht nach Arbeit bleibt oft die Sucht erfolgreicher Frauen unerkannt. „Es geschieht häufig bei Frauen um die 35 bis 40, die starke Karrieren haben, aber irgendwann zusammenbrechen“, sagt Antje Trabeck vom „Such(t)- und Wendepunkt“. Viele funktionieren tagsüber einwandfrei, abends sind sie Alkohol oder Medikamenten ausgeliefert.

Häufig ist Stress Auslöser für die Sucht, die Angst davor, Familie und Job nicht mehr zu schaffen oder den Job wieder zu verlieren. Bei vielen Frauen ist es aber auch die Leere, „Singles“, so Trabeck, „die hartnäckig ein Ziel im Auge hatten. Nun haben sie es erreicht und fragen sich wofür.“ Männer machten sich da weniger Gedanken. „Die denken eher, dass eine neue Frau ein neues Leben schafft.“

Erschwerend fürchten Frauen oft, ihnen würden die Kinder weg- genommen, wenn sie sich zu ihrer Sucht bekennen. Oft sind es jedoch eben diese Kinder, die sich an das Not-Telefon wenden, das „Such(t)- und Wendepunkt“ für Kinder von suchtkranken Eltern und suchtkranke Jugendliche eingerichtet hat (Tel.: 0800-280 280 1). Nicht selten ist die Familie dann längst kaputt. „Deshalb sind flexible Therapien so wichtig“, sagt Trabeck. Zu Wendepunkt kann man beispielsweise auch abends oder in der Mittagspause kommen.

Das „Kursbuch Sucht“ der Landesstelle gegen die Suchtgefahren verzeichnet diverse Beratungsstellen (040 /2849918 0 oder www.suchthh.de/kursbuch). Wer einen Überweisungsschein hat, kann dienstags zur Erstsprechstunde in die verhaltenstherapeutischen Ambulanz des UKE gehen: Tel.: 428 03-42 25 oder -44 94.