Weg with Weltschmerz

■ Putzing, bügeling und „Apotheker-Umschau“: Gayle Tufts & Rainer Bielfeldt im Jungen Theater

Gayle ist wieder da. Zwei Jahre nach „Miss Amerika“ testet die quirlige Amerikanerin in altbewährter Tradition im Jungen Theater ihre neue Show „The wahre Wahrheit“. Mitte Dezember wird in Berlin Premiere sein, und vorher darf sich das geneigte Bremer Publikum – böse Zungen könnten hier von „Versuchskaninchen“ sprechen, wohlwollendere von „privilegierten Ersthörern“ – schon mal einen kleinen Vorgeschmack auf der Zunge zergehen lassen. Dass dabei, wie bei „try-outs“ vielleicht nicht anders zu erwarten, längst nicht alles perfekt ist, wird mit Fassung und viel Humor auf beiden Seiten getragen.

„Nach the break fangen wir mit einem Waaahnsinnslied an“, verkündet Gayle. „Es heißt 'The wahre Wahrheit' und es ist...“ – „...noch nicht geschrieben“, ergänzt ihr Komponist, Pianist und Mit-Sänger Rainer Bielfeldt. Genauso, wie auf Bühnenbild, Kostüme und die drei Background-Sänger verzichtet werden muss, die Gayle und Rainer kurzerhand und etwas chaotisch selber einsingen und darstellen. Als hätten sie im Laufe des Abends nicht schon genug zu tun.

Gayle plappert, sabbelt und schwatzt ohne Hemmungen, ohne Rücksicht auf Verluste und manchmal leider auch ohne Ende. In allererster Linie ist sie Entertainerin, die Sängerin muss da ein bisschen zurückstehen. Und weil Gayle Tufts unbestreitbar eine gute Sängerin ist, ist das schade. Aber andererseits ist die Wahl-Berlinerin auch eine unbestreitbar gute Quassel-strippe, deren gekonntem Mix aus Deutsch und Englisch („Dinglish“) man gerne zuhört und sich dabei vor Lachen den Bauch hält. Kurz: Das wahre Erlebnis an diesem Abend sind Gayles politisch mäßig korrekte (aber urkomische) Monologe, in denen – sorgfältig gewürzt mit Rainer Bielfeldts hamburgisch-trockenen Kommentaren – nicht nur Öko-Läden und Mariah Carey ihr Fett weg kriegen, sondern in einem fröhlichen Rundumschlag auch noch die deutschen Apotheken und Brandenburg als solches.

Es geht um „Mister Joschka Fischer“, Weltschmerz und den Bären von Berlin, es geht um „putzing and bügeling“ und „the lila Satin-Abendkleid I wore at my Ab-schlussball“, und natürlich um „The wahre Wahrheit“ in Form von spektakulären Enthüllungen, die an dieser Stelle natürlich noch nicht vorweg genommen werden sollen. Ach ja, gesungen wurde auch noch. Hauptsächlich eingängige, temporeiche Melodien mit leichtem Musical-Touch, die von den pointierten „dinglishen“ Texten leben. Fallen diese weg, so wie gegen Ende in einigen ruhigeren, rein englischen Balladen, bleiben hübsche, aber seltsam austauschbar wirkende Lieder, auf die man sich – kaum erholt vom letzten Lachanfall – nur schwer einlassen kann und möchte.

„Schuster, bleib bei deinen Leis-ten“, könnte man auf die Bühne rufen. Gayle Tufts hat nun einmal das Los getroffen, eine unschlagbare Komikerin zu sein.

Bodil Elstner

„The wahre Wahrheit“ wird noch bis zum Sonntag jeweils um 20:30 Uhr im Bremer Güterbahnhof aufgeführt. Wer's nicht schafft: Gayle Tufts und Rainer Bielfeldt wollen im kommenden Jahr mit dem fertigen Programm wiederkommen.