berliner szenen
: Hannover–Berlin

Metropolengespräche

Nach zwei Tagen in Hannover, Deutschlands schwierigster Großstadt, wächst in mir eine große Sehnsucht: Ich will zurück nach Berlin. „Berlin“, sagen in Hannover alle, nicken, und um ihre Stimmen legt sich so ein Klang. Diversität. Kultur. Erlebnis. Heißes Pflaster. Ich nicke zurück, lächele versunken und haste schließlich zum Bahnhof. Berlin is the place to be, ganz Hannover sagt das. Und weil die Leute in Hannover sich abends gewöhnlich nur innerhalb ihrer Wohnung aufhalten, halte ich mich, zurück in Berlin, nur außerhalb meiner Wohnung auf. Wie es sich gehört. Ja, ich stürze mich geradezu ins Nachtleben, das bin ich den Hannoveranern schuldig.

In den frühen Morgenstunden treffe ich im K&T schließlich A., einen alten Freund. Immer, wenn er betrunken ist, fängt er an, mich anzufassen. A. ist betrunken. Mein Körper macht diplomatische Ausweichkreise, als H. kommt. H. ist auch betrunken. Anfassen dito. Ich im Dreieck mit beiden, den Körper immer locker in Bewegung. Schließlich kommt das Gespräch auf „female impersonation“. Interessant sei ja, so H., der einen Zeitungsartikel rekapituliert, dass die traditionell weiblichen Gesten heute einzig von Transvestiten beherrscht würden. Und dann lerne die vermeintlich echte Frau bei der Tunte, eine Frau zu sein. Ich finde meinen diplomatischen Leib auch ganz grazil. Berlin moves. Das hat mir ja schon ganz Hannover gesagt. Trotzdem erlerne ich erfolgreich die Posen, an die H. sich erinnern kann. Vielleicht gilt es bald, mich mittels der „Yuccapalme“ oder der „Kaffekanne“ als wirkliche Frau auszuweisen. Diversität, denke ich, als ich in den frühen Morgenstunden nach Hause komme und mit meiner Wärmflasche ins Bett gehe. Kultur, Erlebnis, heißes Pflaster.

KATRIN KRUSE