Der lange Samstag der Entscheidung

Heute verhandeln SPD, FDP und Grüne über Sparziele, Personalabbau und Arbeitszeitregelungen. Ohne Einigung wird es keine Dreierkoalition geben

von ROBIN ALEXANDER

In einem waren sich die Verhandlungsführer von SPD, FDP und Grünen schon gestern einig: Heute müssen bei den Koalitionsgesprächen im Roten Rathaus Ergebnisse erzielt werden. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit, der SPD-Chef Peter Strieder und Günter Rexrodt, die personifizierte FDP, teilen allesamt die Meinung der grünen Parteichefin Regina Michalik, die am deutlichsten formulierte: „Dieser Tag wird zeigen, ob die Verhandlungen zu einem erfolgreichen Abschluss kommen können oder nicht.“

Für den 13. September ist die Vereidigung eines rot-gelb-grünen Senats geplant. Soll es dazu kommen, müssen entscheidende Weichen gestellt werden. Wie hoch will die Ampel das Sparziel bei den Personalkosten im öffentlichen Dienst ansetzen? Bisher haben die Ampelpartner eine oder zwei Milliarden Mark bis zum Ende des Legislaturperiode als alternative „Szenarien“ ihren Facharbeitsgruppen zur Prüfung übergeben.

Der zentralen Facharbeitsgruppe „Finanzen/Personal“ legte Innensenator Ehrhart Körting (SPD) eine Einsparliste vor, die u. a. bei Schulen und Kindertagesstätten mehr als 5.000 Stellen streichen will. Dies hatten nicht nur die Verhandlungspartner, sondern auch Schulsenator Klaus Böger (SPD) kritisiert. Die Körting-Liste sei nicht als Sammlung von SPD-Vorschlägen zu verstehen, hieß es gestern aus der SPD, aber „die Liste beschreibt, was bis 2006 an Einsparungen theoretisch möglich wäre. In diesem Sinne wird sie auch eine Grundlage der heutigen Verhandlungen.“ Man könne sich – so die Sozialdemokraten – „politisch für oder gegen jede einzelne Sparmaßnahme entscheiden“. Dieses Vorgehen der eingeschränkten Verantwortung für die eigenen Sparvorschläge akzeptieren die Grünen so nicht. Michalik: „Die SPD hält ihr Versprechen, bei der Bildung nicht zu kürzen, nicht ein.“ Schon gestern deuteten einige, die morgen verhandeln, einen möglichen Kompromiss an. Die Ampel könnte Schulen schließen und Lehrpersonal abbauen. Gleichzeitig könnten neue Lehrer an anderen Schwerpunkten eingestellt werden. So könne man das Wahlversprechen halten, die pädagogische Betreuung zu verbessern – und dennoch Personalkosten einsparen.

Die von der FDP in der Facharbeitsgruppe Finanzen/Personal erhobene Forderung, die Arbeitszeit für Beamte und Angestellte im öffentlichen Dienst auf 41,5 Stunden zu erhöhen, ist weder konsens- noch durchsetzungsfähig. Denkbar wäre allerdings eine Anhebung der Stundenzahl für Grundschullehrer, die in Berlin zur Zeit eine Wochenstunde weniger arbeiten als ihre Kollegen in den anderen Bundesländern. Dieser „Ausstattungsvorsprung“ kommt nun auf den Prüfstand.

Ein weiterer Streitpunkt, der heute entschieden werden muss, ist die Möglichkeit betriebsbedingter Kündigungen im öffentlichen Dienst. Der Diepgen-Senat hatte diese bis 2004 ausgeschlossen. Über diese getroffene Zusage hinaus möchte der aktuelle Regierende Bürgermeister nicht gehen. Die Grünen, namentlich Fraktionschefin Sibyll Klotz, wollen betriebsbedingte Kündigungen jedoch auch darüber hinaus ausschließen. Die FDP besteht hingegen darauf, der Senat dürfe „dieses Instrument“ nicht aus der Hand geben: Man brauche dringend Drohpotenzial gegen die mächtige Gewerkschaft des öffentlichen Dienstes. Die Verhandlungsteilnehmer der SPD beginnt diese Fragen zu „nerven“. SPD-Chef Strieder hält aus seiner Erfahrung als Arbeitsrichter betriebsbedingte Kündigungen im öffentlichen Dienst für ungeeignet, um Personal abzubauen. Die Vorstellung, der Konflikt um die betriebsbedingten Kündigungen ließe sich heute umgehen, indem sich „auch ohne“ sie die Reduzierung der Kosten „darstellen lasse“, ist bisher nur eine Hoffnung.